Fleischerhandwerk in Ortenau
Martin Maier: "Man muss ein Kämpfer sein"
Ortenau (mak) Für das Schuljahr 2024/25 werden die künftigen Fleischerlehrlinge und die angehenden Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk längere Wege für den Berufsschulunterricht in Kauf nehmen müssen. Grund ist, dass in den vergangenen drei Jahren die Mindestzahl von jeweils 16 Schülern in der Ortenau nicht erreicht wurde. Deshalb müssen die angehenden Fleischer und Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk in Zukunft bis nach Freiburg in die Berufsschule fahren.
Diese Entwicklung in der beruflichen Ausbildung hat leider einen ernsten Hintergrund. "Momentan haben wir noch 35 Fachbetriebe, die in der Innung organisiert sind", sagt Martin Maier, Obermeister der Fleischerinnung Ortenau auf Guller-Nachfrage. Der Trend gehe leider zu immer weniger Fleischereibetrieben in der Ortenau, so Maier, der mit seinem Sohn seine Metzgerei in vierter Generation führt. Die Gründe seien vielfältig, findet Maier. Zum einen industrialisiere sich die Branche zunehmend. "Es geht immer mehr zu größeren Einheiten, so dass sich alle Arbeitsschritte bei einem Produzenten konzentrieren." Zudem leide die Branche unter einem Fachkräftemangel. "Selbst in vielen Supermärkten gibt es nur noch eine Selbstbedienungstheke mit abgepackten Fleischwaren, weil das Personal fehlt."
Verbraucher spürt Entwicklung
Diese Entwicklung bekomme dann auch der Verbraucher zu spüren. Mit der zunehmenden industriellen Produktion von Fleisch- und Wurstwaren ginge die geschmackliche Vielfalt verloren. "Bei einem im Großbetrieb hergestellten Produkt schmeckt dies überall gleich, egal ob Sie es in Nord- oder Süddeutschland einkaufen", findet Maier. Und weiter: "Der Personalmangel wird sich zudem in deutlich reduzierten Öffnungszeiten der Metzgereien bemerkbar machen."
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, geht die Branche aber auch neue Wege. Martin Maier berichtet von einem Kollegen aus Lörrach, der indische Auszubildende eingestellt hat. Dies sei auch eine Idee für die Ortenau, wo es ebenfalls Betriebe gibt, die diesen Schritt gehen wollen. Wichtig hierbei sei, dass die indischen Azubis nicht alleine kämen. "Es ist wichtig, dass sie schnell Anschluss finden und sich nicht einsam fühlen. Sie sollen ja bleiben", so Maier. Und weiter: "Bei der Nachwuchsgewinnung müssen wir jeden Strohhalm ergreifen."
Der Personalmangel sei besonders im Verkauf hoch. "In meinem Betrieb habe ich drei Auszubildende in der Produktion, finde aber niemanden für den Verkauf."
Bei der Nachwuchsgewinnung will man sich aber nicht nur auf ausländische Fachkräfte verlassen. Man müsse in den Schulen anfangen und dort für das Handwerk werben. Hierbei seien die Eltern wichtig. "Es sind erfolgreiche Karrieren in Handwerksberufen möglich, auch im Fleischerhandwerk", appelliert er. Seine Branche habe einiges zu bieten.
Trotz aller Widrigkeiten, behördlichen Auflagen und Bürokratie will Innungsobermeister Maier aber trotzdem positiv in die Zukunft schauen. "Es gibt immer noch Möglichkeiten der Gestaltung und damit der Weiterführung von Betrieben, aber man muss ein Kämpfer sein."
Längere Wege
Nicht nur die Auszubildende als Fleischer und Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerkwerden müssen im Schuljahr 2024/25 längere Wege auf sich nehmen für den Berufsschulunterricht. Auch die Berufe Florist und Gärtner haben in den vergangenen drei Jahren die Mindestzahl von jeweils 16 Schülern nicht erreicht in der Ortenau.
Die Floristen müssen für den Berufsschulunterricht bis nach Villingen fahren. "Bei den Gärtnern steht der künftige Beschulungsort noch nicht endgültig fest", sagt Heiko Faller, Sozialdezernent des Ortenaukreises, der Schulträger der Beruflichen Schulen ist, auf Guller-Nachfrage. Ob die betroffenen Lehrer bleiben können, hänge von ihrer Qualifikation und dem Angebot der Fächer ab, in denen sie alternativ unterrichten können, und werde vom Land Baden-Württemberg als Dienstherr entschieden.
Die vier Ausbildungsberufe seien abgegeben worden unter der Bedingung, "dass der Ortenaukreis im Gegenzug die Ausbildungsgänge Hauswirtschafter aus dem gesamten Regierungsbezirk Freiburg sowie Medientechnologe von der Stadt Freiburg zur Beschulung erhält", führt Faller weiter aus.
Bei dem Wegfall der vier Ausbildungsberufe bleibt es möglicherweise aber nicht. Momentan sei das Bäckerhandwerk aufgrund zu niedriger Schülerzahlen gefährdet. Zusammen mit der Innung und ausbildungswilligen Betrieben wolle man mit gezielten Werbemaßnahmen dem Trend entgegenwirken und den Ausbildungsgang unbedingt halten. "Über das Angebot anderer Ausbildungsgänge, die ebenfalls zu niedrige Schülerzahlen aufweisen, ist der Ortenaukreis mit beteiligten Schulträgern in einen Prozess der überregionalen Schulentwicklung eingetreten, um gemeinsam die Schullandschaft im Regierungsbezirk Freiburg verantwortungsvoll und zukunftsorientiert zu strukturieren", erklärt Faller.
Keine Nachteile befürchtet
Deshalb befürchte man auch keine Nachteile für die Ortenau als Ausbildungs- und Wirtschaftsstandort. Die Abgabe von nicht mehr ausreichend nachgefragten Ausbildungsgängen in überregionalen Schulentwicklungsprozessen gehe stets einher mit einer Konzentration von anderen Ausbildungsgängen an Ortenauer Schulen und einem entsprechenden Schülerzuwachs aus anderen Landkreisen. "Der Ressourceneinsatz wird dadurch für die Schulträger effizienter und die Qualität der Ausbildung steigt, wovon die jungen Menschen und die Betriebe profitieren. Der Ortenaukreis ist und bleibt mit seinen zwölf Beruflichen Schulen und den dort unterrichteten mehr als 12.000 Schülern – davon rund 6.900 Auszubildende – der größte Schulträger unter allen Landkreisen in ganz Baden-Württemberg", so Sozialdezernent Faller.
Durch die Schaffung von Kompetenzzentren sei es dem Ortenaukreis bisher sehr gut gelungen, alle Beruflichen Schulen an allen Standorten zu erhalten. "Sie stellen einen wichtigen Standortfaktor für die Unternehmen und die Menschen im ländlichen Raum dar. Es ist breiter politischer Konsens an diesem Ziel und am dezentralen Schulsystem in der Ortenau festzuhalten und alle Schulen und Standorte auch weiterhin zu erhalten", erklärt Faller abschließend.
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