Leistungsfähigkeit kommunaler Haushalte
Landrat reagiert auf Vorwürfe
Ortenau (st) Oberkirchs Oberbürgermeister Gregor Bühler will eine Diskussion über die Defizite der Krankenhausfinanzierung und stellt den Neubau des Landratsamtes in Frage. Grund ist die bevorstehende Erhöhung des Kreisumlage-Hebesatzes. In einem offenen Brief an den amtierenden und designierten Landrat sowie die Fraktionsvorsitzenden und Kreisräte schreibt Bühler:
"Im Jahr 2018 hat der Landkreis mit der Entscheidung für die Agenda 2030 einen wichtigen Entschluss für die Zukunftssicherung des Ortenau Klinikums getroffen. Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in der Ortenau war unser aller Anliegen und unter den damaligen Voraussetzungen absolut richtig. Heute stehen wir einer ausgewachsenen Gesundheitskrise gegenüber. Zugleich zwingen fehlende finanzielle Unterstützung von Bund und Land bei steigenden Standards und Leistungsansprüchen unsere Haushalte in die Knie. Wie man der Presse entnehmen konnte, bedeutet dies für den Landkreis im aktuellen Haushalt ein Defizit in Höhe von 54 bis 72,5 Millionen Euro.
Im Verwaltungsausschuss wird nun unter anderem um die Erhöhung des Kreisumlage-Hebesatzes um fünf bis sieben Punkte gerungen. Welch gravierende Auswirkungen dies auf die Städte und Gemeinden des Ortenaukreises haben wird, möchte ich am Beispiel der Stadt Oberkirch gerne deutlich machen:
Jeder Punkt Kreisumlage-Erhöhung bedeutet für Oberkirch eine Mehrbelastung von 300.000 Euro. Bei fünf bis sieben Punkten geht es folglich um zusätzliche 1,5 bis 2,1 Millionen Euro, die allein in Oberkirch künftig jährlich fehlen. Gemessen an den durchschnittlichen Ergebnissen der letzten Jahresabschlüsse wären dies rund 40 Prozent der Investitionskraft unserer Stadt! Die ohnehin unterfinanzierte kommunale Infrastruktur wird so gravierend weiter geschwächt, dass Investitions-Projekte im Pflichtaufgabenbereich wie Schulen und Kindergärten auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben werden müssen.
Ursache für die prekäre Finanzsituation beim Kreis sind laut Kreisverwaltung neben den stetig steigenden Sozialausgaben insbesondere unerwartet enorm steigende Defizite bei der Krankenhausfinanzierung des Betriebes des Ortenau Klinikums um 30 Millionen Euro. Wohl gemerkt: Hier geht es noch nicht um die Finanzierungskosten der Krankenhaus-Neubauten, sondern um laufende Betriebsdefizite! In Anbetracht dieser Situation, sollte der Kreis - wie jedes Unternehmen und jede Kommune - seine Projekte nun den aktuellen Entwicklungen anpassen und diese kritisch hinterfragen:
- Wie kann so eine Defizitzentwicklung unerwartet auftreten?
- Gibt es kein Controlling, das es ermöglicht, rechtzeitig einzuschreiten?
- Müssen nun nicht alle Projekte nochmal auf den Tisch und deren finanzielle Auswirkungen auf die Kreisumlage neu ermittelt werden?
- Kann die Agenda 2030 überhaupt noch vollzogen werden, wenn sich bei weiterem Voranschreiten ein solches finanzwirtschaftliches Bild zeichnet?
- Warum wird eine Grundsanierung, der alleinige Grundstückserwerb oder gar ein Neubau des Landratsamtes nicht zurückgestellt?
Wenn die Finanzlage des Kreises dermaßen prekär ist, muss jedem Verantwortlichen einleuchten, dass ein „Weiter-so“ keine Lösung ist. Sowohl aktuelle als auch bevorstehende Projekte, wie der beabsichtigte Neubau des Landratsamtes, werden sich unmittelbar auf die Kreisumlage niederschlagen. Das Geld, das uns hierfür entzogen wird, wird unmittelbar bei Bildungs- und Infrastrukturprojekten der Kommune fehlen.
Im Ergebnis bedeutet dies: überdimensionale Kreisumlage zulasten von Schulbauprojekten!
Es kann der Eindruck entstehen, dass sich der Landkreis aktuell in einem finanzwirtschaftlichen Blindflug befindet, der auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wird. Ich kann nur für Oberkirch sprechen, aber die Entscheidung, die nun getroffen wird, hat direkte Auswirkungen auf die Entwicklung aller Kommunen – und wird es weiterhin haben. Ich bin mir sicher, es wird nicht die letzte Erhöhung der Kreisumlage sein.
In den Kreistagssitzungen wird regelmäßig von der „kommunalen Familie“ gesprochen. Ich vertraue darauf, dass unsere Verantwortlichen bereits Lösungen parat haben."
Argumente widerlegt
Landrat Frank Scherer weist am Dienstag im Verwaltungsausschuss die Kritik des Oberkircher Bürgermeisters Bühler scharf zurück. In einem Statement bezieht er sich auf den offenen Brief von Oberkirchs OB Bühler „Kreisumlage: Massive Einschränkung der Leistungsfähigkeit kommunaler Haushalte“ vom 21. Oktober 2024 wie folgt Stellung:
„Das sind Fragen, die jede Kreisrätin und jeder Kreisrat aus Anhieb beantworten kann und die im letzten Kreistag ja auch von der Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO) gestellt wurden, z.B. 'wie kommt es zum Defizit?' Oder: 'kann die Agenda 2030 noch vollzogen werden?'.
Das Defizit haben Herr Lauterbach und die Kassen zu vertreten, weil die Betriebskosten der Kliniken nicht gedeckt werden – wer Zeitung liest, weiß, dass deshalb alle Kliniken in Schieflage sind.
Und ja: die Agenda 2030 kann nicht nur, sondern sie muss unbedingt weiter vollzogen werden, weil wir
- mit den bisher Umgesetzten schon jetzt unser Betriebsdefizit reduzieren, allein durch die frühzeitigen Schließungen von drei Klinikstandorten jährlich mindestens 14 Millionen Euro
- wir die kommende Klinikreform vorweggenommen haben und bundesweit dafür bewundert werden
- wir für diese Weitsicht und Umsetzungskraft nicht nur gelobt werden, sondern auch noch vom Land besonders gut finanziell gefördert werden
- unsere Strukturen durch die weitere Umsetzung der Agenda immer wirtschaftlicher werden und
- das Allerwichtigste: Unsere Bevölkerung eine optimale Gesundheitsversorgung erhält.“
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