Waldkindergärten finden Zuspruch
Ganz ohne Strom und Wände
Ortenau (ds). Jeder Tag steckt voller Abenteuer und Überraschungen, ob es schneit oder die Sonne scheint: Im Waldkindergarten braucht es keine Gruppenräume, Spielzeug, Strom oder fließend Wasser, um Kindern Erziehung, Bildung und Betreuung angedeihen zu lassen. Das aus Skandinavien stammende Konzept findet auch im Ortenaukreis immer mehr Zuspruch, aktuell prüft beispielsweise die Gemeinde Friesenheim, einen Waldkindergarten einzurichten.
Erster Waldkindergarten
Mit dem Lahrer Flitzebogen e. V. ging bereits 1998 der erste Waldkindergarten in der Ortenau an den Start. In zwei Gruppen werden derzeit 28 Kinder betreut, in den Waldmäusen acht Kinder unter drei Jahren und bei den Waldkindern 20 über drei Jahren. "Damit sind wir voll belegt", sagt Kita-Leiter Steffen Bernack. Bis zu zehn verschiedene Plätze können die Flitzebogen-Kinder im Lahrer Wald ansteuern, um dort zu spielen, zu basteln, zu toben, zu singen und zu tanzen. Die erforderliche Ausrüstung, etwa Handwaschwasser, Desinfektion, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Ersatzkleidung oder Getränke, haben die Erzieher im Rucksack und im Bollerwagen stets dabei. Ihr Vesper, eine Trinkflasche, Handtuch und Sitzmatte tragen die Kinder in ihrem Rucksack. Bei allzu widrigen Wetterbedingungen stehen Schutzräume wie ein beheizter Bauwagen zur Verfügung. Ganz besonders stimmungsvoll ist es im Indianertipi, wo Feuer für die nötige Wärme sorgt. "Unser Pädagogenteam versteht es, mit Sachverstand und Leidenschaft die Vielfalt und die Möglichkeiten im Waldkindergarten umzusetzen und behutsam und herausfordernd zu einer kindlichen Lebenswelt zu machen", betont Steffen Bernack. Dabei erfülle man die gleichen Aufgaben wie Regelkindergärten.
Natur als Erlebnisraum
Und warum braucht man dann Waldkindergärten? "Es kommt immer seltener vor, dass Kinder den Wald und die Natur als Erlebnisraum wahrnehmen können. Der häufige Zugang zu digitalen Medien bremst das Spiel und Explorationsverhalten der Kinder aus. Eine natürliche Umgebung, die Ruhe des Waldes, Rückzugsmöglichkeiten und der spürbare Wechsel der Jahreszeiten – all das ermöglicht den Kindern das Erlernen wichtiger Fähigkeiten", erklärt Steffen Edelhoff, Leiter des Waldkindergartens Löwenzahn e. V. in Ettenheim. Zwei Gruppen mit jeweils 15 Kindern besuchen derzeit die Einrichtung. Noch nie habe man in den 17 Jahren des Bestehens erlebt, dass ein Kind für den Wald nicht geeignet sei. Der Löwenzahn orientiert sich neben der Natur- an der Montessoripädagogik, der Bindungsforschung und der nichtdirektiven Erziehung nach Mauricio und Rebeca Wild. "Wir verbringen einen Teil des Tages im Wald und wechseln dann auf unseren Kindergartenplatz, wo wir verschiedene Arbeitsbereiche haben und mit den Montessorimaterialien arbeiten können", führt Edelhoff aus.
Noch recht jung ist die Waldgruppe des Elzwiesen-Kindergartens in Rust, die 2015 ins Leben gerufen wurde und aktuell neun Mitglieder zählt. "Durch diese relativ kleine Zahl ist es uns möglich, sehr auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen", so Angelika Steiner vom Leitungsteam. Zudem biete der Standort am Oberwald zahlreiche und unterschiedliche Möglichkeiten: "Wir halten uns nicht nur nah und im Wald auf, sondern können durch Wiesen schlendern und sind trotzdem schnell auch wieder im Ort", erläutert sie. Die Verbindung zum Elzwiesen-Kindergarten ermögliche eine Vernetzung der Gruppe im Wald und den Kindergartengruppen. "Die Kinder, die in den Kindergarten gehen, können den Waldkindergarten besuchen und so ebenfalls an den Naturerlebnissen teilhaben. So gelingt auch ein Wechsel in den Waldkindergarten problemlos", so Steiner weiter.
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