Thermofenster-Urteil des BGH
Die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeugs ist real

Das Thermofenster sorgt dafür, dass abhängig von der Außentemperatur die Abgasreinigung gedrosselt oder abgeschaltet wird. | Foto: ds
  • Das Thermofenster sorgt dafür, dass abhängig von der Außentemperatur die Abgasreinigung gedrosselt oder abgeschaltet wird.
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Ortenau (ds) Der Bundesgerichtshof (BGH) weitet mit einem Grundsatzurteil den Schadensanspruch für Dieselfahrer aus: Nun steht diesen auch eine Entschädigung für das sogenannte Thermofenster – die temperaturgesteuerte Ausschaltung der Abgasreinigung – zu, selbst wenn der Autobauer lediglich fahrlässig gehandelt und nicht getäuscht hat. Was das Urteil für Dieselfahrer bedeutet, erläutert Christian Grotz, Geschäftsführer von Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Lahr.

"Allen Kunden, in deren Fahrzeugen die Abgasreinigung mit einer illegalen Abschalteinrichtung manipuliert wird, steht grundsätzlich Schadenersatz zu. Der Hersteller kann sich nur rauswinden, wenn ihm der Nachweis gelingt, die Abschalteinrichtung nicht vorsätzlich oder fahrlässig eingebaut zu haben. Wir halten dies aufgrund der klaren Regelungen für nicht denkbar", stellt Grotz auf Guller-Anfrage fest. Fahrzeughersteller seien Weltkonzerne mit großen Rechtsabteilungen, da passiere so etwas nicht nur aus Versehen.

Betriebsuntersagung

Der BGH habe allein für die Gefahr der Betriebsuntersagung der Fahrzeuge Schadensersatz von bis zu 15 Prozent des Kaufpreises bestätigt. Da gerade diese Diesel-Eigentümer das Risiko haben, dass ihr Fahrzeug stillgelegt wird, sei die Entscheidung zu begrüßen. Denn die Gefahr einer Stilllegung sei real: "Schon im ersten Dieselskandal um den VW-Motor EA189 sind Fahrzeuge stillgelegt worden, wenn die Eigentümer sich weigerten, das Software-Update aufspielen zu lassen", ruft Rechtsanwalt Christian Grotz in Erinnerung. Das Verwaltungsgericht Schleswig habe Anfang des Jahres klar zum Ausdruck gebracht, dass Fahrzeuge stillgelegt werden müssten, wenn ein gesetzeskonformer Zustand nicht anderweitig, beispielsweise durch ein Software-Update oder Nachrüstung, hergestellt werden könne (Az.: 3 A 113/18). "Und das war ein Fall, bei dem ein Software-Update die Abschalteinrichtung entfernen sollte. Das gelang nicht", so Grotz weiter.

Betroffene Fahrzeuge

Vom Urteil betroffen sind zunächst Dieselfahrzeuge der Euronormen 5 bis 6c. "In Diesel-Fahrzeugen werden unterschiedliche Abschalteinrichtungen eingesetzt. Gerade in Form von Thermofenstern galten sie lange Zeit als Industriestandard und waren in fast allen Fahrzeugen verbaut", sagt der Experte. Im Einzelfall müsse man schauen, welche Erkenntnisse zu den jeweiligen Fahrzeugmodellen vorlägen. "Zwischenzeitlich gibt es hier aber zahlreiche Gutachten und Rückrufe, die man zur Einschätzung heranziehen kann", so Christian Grotz.

Natürlich könnten Diesel-Fahrer nun versuchen, vom Autohändler Geld zurückzuverlangen. "Das ist aber aufgrund enger Fristen nicht ganz einfach", betont er. Die aktuelle BGH-Entscheidung würde sich gegen die Hersteller richten. Hier sollte man zuerst ansetzen. "Aber die Möglichkeiten sind je nach Fall unterschiedlich, das gilt es, individuell zu prüfen", unterstreicht der Rechtsanwalt.

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