Klaus Haaß zum Hintergrund des Protests
Apotheker schlagen Alarm
Ortenau Wer am Mittwoch Medikamente benötigte, stand vielerorts mit seinem Rezept in der Hand vor geschlossenen Apotheken. Allein ein Notdienst stellte die Versorgung sicher, nicht nur in der Ortenau, sondern in ganz Süddeutschland. Der Grund laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: Protest gegen eine "versorgungsgefährdende Gesundheitspolitik der Bundesregierung". Unzählige Apothekeninhaber und ihr Personal waren zudem nach Stuttgart gefahren, um an einer Kundgebung auf dem Schlossplatz teilzunehmen.
Immer weniger Apotheken
Apotheken bieten feste Öffnungszeiten und darüber hinaus gibt es einen 24-Stunden-Notdienst. Sie stellen individuelle Arzneien selbst her, außerdem gibt es bei ihnen Schmerzmittel, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und deshalb mit einer sehr aufwändigen Dokumentationspflicht verbunden sind. Bei Bedarf wird der Kunde ausgiebig beraten. Und das ist lange nicht alles, was die Apotheken neben dem Verkauf von Medikamenten leisten und zu dem sie der Gesetzgeber übrigens auch verpflichtet hat. Um so übler ist es, dass die Zahl der niedergelassenen Apotheken stetig sinkt (siehe Infokasten). Klaus Haaß, Turnussprecher des Notdienstkreises Offenburg, Kehl und Ried zählt die wichtigsten Gründe dafür auf: Fachkräftemangel, fehlende Nachfolger, Internetkonkurrenz, seit elf Jahren eingefrorene Honorare bei steigenden betriebswirtschaftlichen Kosten.
Karl Lauterbach
Im Grunde sind sich deshalb alle einig, dass dringend etwas getan werden muss, um die gute Versorgung der Bevölkerung weiter sicherzustellen. Über die Frage was, gehen die Meinungen aber auseinander. So kann die Mehrheit der Apothekerschaft beispielsweise nur fassungslos den Kopf schütteln über die Idee von Gesundheitsministers Karl Lauterbach, reine Arzneiabgabestellen zuzulassen.
Noch ist in der Sache laut Klaus Haaß nichts beschlossen und es fehlt noch an Details, aber im Prinzip sollen Apotheken zusätzlich eine noch unbestimmte Anzahl von Filialen betreiben dürfen, in denen Pharmazeutisch-Technische-Assistentinnen auch rezeptpflichtige Medikamente ausgeben können. Im Klartext, sie dürfen sich wie schon die Internetapotheken auf den Verkauf konzentrieren und sind von allem befreit, was aufwändig und für Apotheken teuer ist. Das könnte für einzelne durchaus ein lukratives Geschäftsmodell sein. Klaus Haaß warnt jedoch davor, dass dabei die Qualität in der Fläche auf der Strecke bleibt. Würde die Idee umgesetzt, könnte es im Ortenaukreis zwar künftig viele Abgabestellen geben. Aber nachts und sonntags müssten Patienten vielleicht von Hornberg nach Offenburg fahren, um in einer der letzten "richtigen Apotheken" Medikamente zu bekommen. Eine schlimme Vorstellung, so Haaß: "Eigentlich müssten nicht nur die Apotheker, sondern auch die Bevölkerung dagegen protestieren, dass ein hervorragend funktionierendes System zur Arzneimittelsicherheit und -versorgung einfach so kaputt gemacht wird.“
Hintergrund
In den ersten neun Monaten 2023 sank die Zahl der Apotheken in Bayern und Baden-Württemberg von 5.185 um 123 auf 5.062. Das ist ein Minus von 2,4 Prozent (bundesweit -1,9 Prozent). Deutschlandweit ging die Zahl laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände im selben Zeitraum von 18.068 um 335 auf 17.733 zurück.
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