Lokal einkaufen kann zu einem unbezahlbaren Erlebnis werden
Von einem Bücherwurm im Glück und Vergnügen pur
Offenburg. Die Eingangstür ist für mich wie das Tor zum Schlaraffenland. Nur, dass es in der
Buchhandlung Gustav Roth keine Kuchen und Brathähnchen gibt, dafür um so
mehr Bücher. Und diese verschlinge ich mindestens genauso gerne und
gierig. Wann immer ich durch diese Pforte mein persönliches Paradies
betrete, ist der Alltag vergessen und Vorfreude macht sich breit.
Hier gibt es keine Hektik. Anders als im Supermarkt, wo mancher zwischen
zwei Terminen den notwendigen Einkauf so schnell wie möglich erledigen
möchte, gehen Menschen der Suche nach interessantem Lesestoff meist in
Ruhe nach. Wer möchte, kann sich auf einem der Stühle niederlassen und
schmökern. Eine Karaffe mit Wasser und Gläser stehen bereit, sollte
jemand Durst haben. Das ganze Ambiente ist eine einzige Einladung, sich
Zeit zu lassen. Auch ich schalte schnell von Presto auf Adagio.
Mein erster Weg führt mich nach rechts zu den Neuerscheinungen. Ist etwas
Lustiges dabei, Spannendes oder eine Kombination von beidem? Ja, ich
bevorzuge privat überwiegend leichte literarische Kost. Mit Politik,
Sozialem, Wirtschaft, Gesellschaft und überhaupt mit Sachthemen
beschäftige ich mich fast den ganzen Tag beruflich. Nach Feierabend will
ich unterhalten werden oder lachen.
Als nächstes wird das Bestsellerregal unter die Lupe genommen. Schließlich will ich
hinsichtlich der angesagten Bücher mitreden können. Zwischendurch
schiele ich immer ein bisschen darauf, was andere Kunden sich anschauen.
Es könnte ja für mich ebenfalls interessant sein. Außerdem ist es
spannend zu sehen, wer nach welchem Buch greift. Schau an, das Mädchen
mit den Dreadlocks, dem schwarzen Lippenstift und dem auffälligen
Totenkopfanhänger interessiert sich für Liebesromane. Ich hätte sie eher
als Thrillerleserin eingeordnet. Sie spürt meinen verstohlenen Blick,
lächelt und eine Minute später unterhalten wir uns angeregt über
Strandlektüre.
Ich mag es auch, wenn mir andere Kunden spontan etwas über ein Buch erzählen, das sie schon kennen, während ich noch unentschlossen die Rückseite studiere. Genauso interessiert mich das
Regal mit den Empfehlungen der Buchhändlerinnen. Ihre persönliche
Beratung nehme ich dagegen eher selten in Anspruch. Ich möchte lieber
selbst stöbern. Anders ist es, wenn es um ein Geschenk in einem Genre
geht wie beispielsweise Science-Fiction, in dem ich mich nicht auskenne.
Ohne sachkundigen Rat wäre ich da völlig aufgeschmissen. Das gilt
übrigens ebenfalls für das Verpacken. Ein Buchgeschenk wirkt doch um
einiges edler, wenn es nicht von meinen ungeschickten Hände eingewickelt wurde.
Bis ich mich durch die Autoren von A bis Z gearbeitet habe und bei den Krimis angelangt bin, vergeht geraume Zeit. Und dort wächst der Stapel auf meinem Arm dann noch einmal ordentlich an. Um nicht völlig dem Kaufrausch zu verfallen, halte ich mich strikt an eine
Regel. Sobald der Stapel zu kippen droht, geht es an die Kasse. Und
dabei gibt es doch auf den 400 Quadratmetern über zwei Etagen noch viele
andere Abteilungen.
Das beim Bezahlen von Inhaberin Barbara Roth angebotene Gratis-Lesezeichen lehne ich ab, davon besitze ich schon genug. Aber das Gedicht der Woche nehme ich gerne mit. Der Namensgeber und Gründer der 1897 eröffneten Buchhandlung Gustav Roth ist übrigens
ihr Urgroßvater. Auch den Veranstaltungskalender lasse ich mir in die
Tasche packen. Darin stehen die Termine für Lesungen, Vorträge,
Taschenbuch-Schnäppchen-Markt und vieles mehr, das die Buchhandlung
teils auch in Kooperation mit anderen veranstaltet. Wir plaudern noch
ein bisschen über Kundenwünsche und nicht vorrätige Bücher. Ich bin
neugierig und Barbara Roth zeigt mir, wie die Suche und Bestellung funktioniert.
Nein, ich käme nie auf die Idee, meine Bücher im Internet zu bestellen. Warum sollte ich? Aufgrund der Buchpreisbindung kosten sie dort genauso viel wie im Fachhandel vor Ort. Davon abgesehen würde ich mich um ein unbezahlbares Vergnügen bringen.
Autor: Anne-Marie Glaser
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