Anita Diebold ist Behindertenbeauftragte im Ortenaukreis
„Damit es normal ist, verschieden zu sein“

Anita Diebold sieht sich als Lotsin für Behinderte und deren Probleme im Alltag.  | Foto: Foto: Bode
  • Anita Diebold sieht sich als Lotsin für Behinderte und deren Probleme im Alltag.
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Offenburg. Prägend für ihre heutige Tätigkeiten waren für Anita Diebold auch Erfahrungen, die sie
als 18-Jährige machte. Sie wollte mit einer Rollstuhlfahrerin abends in
einer schwäbischen Stadt ausgehen. Entweder kamen sie wegen Stufen nicht
ins Lokal oder andere Hindernisse taten sich auf, erzählt Anita
Diebold. Seit Februar ist sie als Behindertenbeauftragte im Landratsamt
für die Ortenau zuständig. Grundlage ist ein entsprechendes
Landesgesetz, das alle Kreise in Baden-Württemberg verpflichtet, eine
solche Stelle zu schaffen. Aufgrund der Größe des Ortenaukreises, der
Anzahl seiner Gemeinden und der Zahl von 35000 Schwerbehinderten hat
sich das Landrats­amt für eine hauptberufliche Anstellung entschieden,
die das  Land entsprechend mit 72000 Euro pro Jahr fördert.

„Ich bin weisungsunabhängig“, stellt Diebold dabei klar, dass sie unabhängig
von ihrem Dienstherren Entscheidungen treffen kann. Ihre starke
Stellung unterstreicht, dass öffentliche Stellen sie in bei ihren
Aufgaben unterstützen müssen. Die seit Februar amtierende
Behindertenbeauftragte will in diesen ersten Wochen im neuen Amt erst
einmal zuhören. Kontakte aufbauen, am Netzwerk stricken und den Sorgen
der Behinderten zu hören, so Diebold, seien derzeit ihre Schwerpunkte.

Studiert hat sie Pädagogik und Soziologie und war zuletzt im Landratsamt im
Bereich des Kommunalen Sozialen Diensts und der Jugendhilfe tätig.
Dadurch ist für die seit sechs Jahren in der Ortenau lebende Diebold die
Struktur des Landrats­amts und des Kreises nicht neu. Zuvor war sie im
Raum Stuttgart bereits für Behinderte tätig, etwa in der Lebenshilfe und
der Diakonischen Jugendhilfe.

Grundlage allen Handelns ist auch für Diebold die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen mit
den drei Schlagworten Inklusion, Partizipation und Barrierefreiheit zu
einem selbstbestimmten Leben. „Dazu muss sich die Gesellschaft
verändern“, ist ihre Forderung, damit es „normal ist, verschieden zu
sein“. Behinderungen der verschiedenen Sinne, geistige oder körperliche
Beeinträchtigungen – das Spektrum der Handicaps ist groß. Daher sei auch
die Barrierefreiheit für die verschiedensten Bereiche nötig. „Bei
manchen normalen Bescheiden durch Verwaltungen brauche ich gar keine
Behinderung, um ihn nicht zu verstehen“, sieht Diebold in einer
vereinfachten Sprache schon einen Schritt, um Barrieren abzubauen.

Sie sucht jetzt die Kontakte zu Verbänden, Institutionen,
Selbsthilfegruppen und Vereinen, in denen Behinderte sich engagieren
oder betreut werden. Dazu zählen auch die Beauftragten, die sich bereits
in anderen Städten und Gemeinden der Ortenau um die Belange kümmern.
Ein erstes landesweites Treffen der Behindertenbeauftragten hat es
bereits gegeben. Dabei ist ihr klar, dass es im Kreis Stuttgart sicher
andere Themen gibt, als im ländlich geprägten Ortenaukreis. Es gibt aber
auch gleiche. Diebold will Ansprechpartner nicht nur für Behinderte
sein, sondern auch für Arbeitgeber, andere Behörden – überhaupt für
Akteure in allen Bereichen des täglichen Lebens. Dass sie als Lotse
dabei für Sorgen, Nöte und Anfragen fungiert, sieht sie als eine ihrer
zentralen Aufgaben. Sie will dabei Barrieren vor Augen führen,
sensibilisieren, für einzelne Menschen etwas bewirken und „wie bei einem
Fotoapparat mit dem Objektiv zoomen, vom Allgemeinen bis zum Detail“.
Was muss ein Betroffener tun, dessen Behinderung sich verschlechtert hat
oder wie wird ein Behindertenparkplatz eingerichtet?

Die landesweite Aktion „unbehindert miteinander“, die auch in der Ortenau
durch Lebenshilfe, Diakonie, Wohlfahrtspflege, Gastronomie und Handel
betrieben wird, sieht sie dabei als äußerst hilfreich an. Hier können
Firmen und Behörden ihre Bemühungen darstellen, wie sie Behinderten
versuchen, die Teilhabe zu erleichtern. Neben ihrer Amtsaufgabe bewegt
sich Anita Diebold in ihrer Freizeit gern. Dabei geht es zu Fuß oder mit
dem Fahrrad durch die Region des Schwarzwalds. Manchmal wird es auch
etwas wilder, wenn sie mit dem Kajak unterwegs ist. „Da bekommt man den
Kopf frei“, bevor sie sich wieder um die Belange der Behinderten
kümmert. Dass ihr Büro im Erdgeschoss des Landratsamts eingerichtet
wurde, dient auch der Barrierefreiheit.

Autor: Rembert Graf Kerssenbrock

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