Eigenverwaltungsverfahren bewilligt
Westiform Germany saniert sich

Ortenberg (st). Die Westiform Germany GmbH hat vor dem Amtsgericht Offenburg ein gerichtliches Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt, teilt die Kanzlei Nickert in Offenburg mit. Das Amtsgericht habe den Antrag auf eine gerichtliche Sanierung in Eigenregie mit Beschluss vom 12. Mai 2022 bewilligt.

Das Wichtigste in Kürze

Der Geschäftsbetrieb an den Standorten in Ortenberg und Bretzfeld laufe in vollem Umfang fort. Die Löhne und Gehälter der 130 Mitarbeiter seien gesichert. Die wesentlichen Gläubiger und Vertragspartner unterstützten das Eigenverwaltungsverfahren. Ziel sei die Sanierung und Restrukturierung des Unternehmens und gegebenenfalls die Suche nach einem Investor.

Stand des Verfahrens

Neben dem Antrag auf Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens sei auch die vorläufige Eigenverwaltung beantragt worden. Dies berechtigte die Westiform Germany GmbH die Geschäfte in Eigenregie unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters weiterzuführen. Das zuständige Amtsgericht Offenburg habe den Anträgen stattgegeben. Damit habe das Unternehmen nunmehr die Gelegenheit, einen Sanierungsplan zur Restrukturierung des Unternehmens vorzulegen.

Zum Hintergrund

Die Westiform Germany GmbH ist Nachfolgegesellschaft der Westiform GmbH & Co. KG, über deren Vermögen im Jahr 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Westiform Germany GmbH hatte die Assets vom Insolvenzverwalter der Westiform GmbH & Co. KG herausgekauft.

Ziel des Verfahrens

Ziel des Verfahrens sei die Restrukturierung und Sanierung der Westiform Germany GmbH und deren zukunftsfähige Ausrichtung. Alternativ solle auch nach einem potentiellen Investor gesucht werden. Damit werde sichergestellt, dass sowohl für das Unternehmen, als auch für die Gläubiger im Verfahren die beste Lösung gefunden und umgesetzt werde. Nach derzeitigem Stand sei davon auszugehen, dass das Verfahren, zumindest in den wesentlichen Punkten, im dritten Quartal 2022 abgeschlossen werden kann.

Ursachen der Krise

Ein Auslöser der Krise sei insbesondere die Rohstoffpreisentwicklung. Aufgrund der gegenwärtigen Marktsituation sei es zu nicht unerheblichen Preiserhöhungen gekommen. Hierdurch sei der Materialaufwand seit Ende 2020 deutlich angestiegen.
Daneben führten Projektverschiebungen zu ausbleibenden beziehungsweise verzögerten Umsätzen im Jahr 2021. Auch im ersten Quartal 2022 mussten weitere Umsatzverluste verzeichnet werden. Gründe hierfür seien der Krieg in der Ukraine sowie kundenseitige Projektverzögerungen.

Schließlich sei der alleinige Geschäftsführer  Dreser krankheitsbedingt ausgefallen. Die Krise sei neben den coronabedingten Entwicklungen letztlich auch durch die Auswirkungen der Ukraine-Krise ausgelöst worden. Die Fehlentwicklungen seien aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls des alleinigen Geschäftsführers nicht rechtzeitig erkannt worden. Ebenso seien Gegenmaßnahmen hierdurch nicht mehr rechtzeitig eingeleitet worden. Das Unternehmen sei somit in eine akute Liquiditätskrise gerutscht.

Stellungnahme des Sanierungsgeschäftsführers

Sven Pursche, Partner der "novaerion", sei am 5. Mai 2022 als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer bestellt worden. Er habe in seiner langjährigen Berufserfahrung eine Vielzahl von Sanierungs-, Refinanzierungs- und M&A-Prozessen erfolgreich umgesetzt sowie kaufmännische Leitungsfunktionen (CFO) übernommen. Er sieht in der Eigenverwaltung eine große Chance, dass sich die Westiform Germany GmbH noch einmal neu und nachhaltig aufstellen kann: „Die Rahmenbedingungen für die Westiform waren Anfang des Jahres 2022 alles andere als einfach. Wie viele andere Unternehmen auch, hatte die Westiform aufgrund der externen Umstände im Zuge der Material- und Energiekrise mit massiven Auswirkungen auf den Produktionsprozess zu kämpfen. Insbesondere die hierdurch ausgelösten Projektverzögerungen und -verschiebungen führten zu Liquiditätsengpässen. Dass der ehemalige Geschäftsführer in dieser Zeit nicht vor Ort war, war für das Unternehmen problematisch. Hierzu werde ich nun meine Erfahrung einbringen." 

Der die Eigenverwaltung begleitende Rechtsanwalt Matthias Kühne, Kanzlei Nickert, sieht eine Chance für das Unternehmen: „Die Eigenverwaltung bietet nunmehr die Chance, eine nachhaltigen Sanierungsplan zu erarbeiten und auch im Unternehmen umzusetzen." Rechtsanwältin Caroline Hackl-Fingado, verantwortliche Projektleiterin, sagt: "Für die Mitarbeiter, die Kunden und die Lieferanten ist die Situation sicherlich nicht einfach, zumal sich das Vorgängerunternehmen im Jahr 2020 in Insolvenz befand. Trotzdem haben wir bislang von allen - trotz der Umstände - ein positives Feedback erhalten. Es besteht der Wille, das Unternehmen in der schwierigen Situation zu unterstützen."

Geschäftsbetrieb

Die Westiform Germany GmbH erzielte im Geschäftsjahr 2021 rund 28,5 Millionen Euro Umsatzerlöse. Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens werde in vollem Umfang fortgeführt. Die vorliegenden Kundenaufträge würden wie gewohnt ausgeführt.
Zur Steuerung der für die Betriebsfortführung erforderlichen Liquidität unterhalte die Westiform Germany GmbH eine Liquiditätsplanung und -steuerung unter Aufsicht des bestellten (vorläufigen) Sachwalters.

Durch die Anordnung der Eigenverwaltung bleibe die Westiform Germany GmbH selbst handlungsfähig. Der Sanierungsgeschäftsführer Sven Pursche leite weiter das Unternehmen. Dabei werde er von der Kanzlei Nickert und dem Team um den Partner Matthias Kühne unter Federführung von Rechtsanwältin Caroline Hackl-Fingado unterstützt. Damit stehe auch das erforderliche rechtliche Know-how für das gerichtliche Eigenverwaltungsverfahren zur Verfügung.
Das Gericht habe Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Kaiser, von der Kanzlei Kaiser & Sozien, Freiburg, als vorläufigen Sachwalter antragsgemäß beratend und begleitend zur Seite gestellt.

Verfahrensablauf

Die Gläubiger würden aktiv über den Stand des Verfahrens und die geplanten Maßnahmen informiert. Aktuell seien bei der Westiform Germany GmbH rund 130 Mitarbeiter an den Standorten in Ortenberg und Bretzfeld beschäftigt. Die Lohn- und Gehaltszahlungen der Arbeitnehmer würden während des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens durch die Arbeitsagentur in voller Höhe sichergestellt. Die Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgten wie gewohnt. Die Mitarbeiter seien umfassend über den aktuellen Stand informiert worden.

Das Unternehmen genieße bei den Kunden und auch in Fachkreisen einen guten Ruf. Mit den bereits begonnenen und zu Teilen auch umgesetzten Maßnahmen im Rahmen des Restrukturierungsprozesses soll die Zukunft des Traditionsunternehmens gesichert werden. Der Weg soll in der Eigenverwaltung weiter konsequent verfolgt werden. Hierzu habe das Unternehmen bereits ein Restrukturierungskonzept erarbeitet, was mit dem vorläufigen Sachwalter und dem vorläufigen Gläubigerausschuss abgestimmt werden soll. Ziel sei es, die beiden Standorte und die Arbeitsplätze zu erhalten.

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