Zwei Flüchtlinge in einer Metzgerei eingestellt
Was zählt, sind die Lust und die Freude an der Arbeit
Offenburg (an). Wie in vielen Handwerksbetrieben ist auch in Metzgereien der Nachwuchs an Fachkräften oder Auszubildenden eher dünn gesät – ein Umdenken findet statt, ist erforderlich und immer öfter sind die Betriebsinhaber bereit, auch andere, neue Wege zu gehen.
Schon im Frühjahr 2016 hatte sich Metzgermeister Wolfgang Böhringer dafür entschieden, einem Flüchtling die Chance auf einen Arbeitsplatz zu geben. Nach einem sechswöchigen Praktikum hatte er den Iraner Mohammad Etemadi eingestellt. Und etwa ein halbes Jahr später kam dann über den Arbeitskreis für Aus- und Weiterbildung (AAW) in Offenburg mit Amir Ghasemi ein weiterer Iraner für ein achtwöchiges Praktikum in die Metzgerei im Industriegebiet Elgersweier.
Amir zeigte von Anfang an, dass er zwar Quereinsteiger war, aber einer mit Lust zum Arbeiten. Der Metzgermeister erkannte das sehr schnell und hat dann auch sofort reagiert. „Ich habe ihn direkt im Anschluss an das Praktikum übernommen und als Hilfskraft eingestellt“, freut sich Wolfgang Böhringer rückblickend. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat. Amir hat sich schnell eingearbeitet und erhielt schon bald Tariflohn. Der 38-jährige kommt in der Produktion zum Einsatz: schneidet Würste, bringt die Produkte in den Kühlraum und geht dem Metzgermeister zur Hand. Amir Ghasemis Religionszugehörigkeit, er ist Christ, bringe keinerlei Einschränkungen bei seiner Beschäftigung mit sich, so Böhringer.
„Trotz Arbeitsplatz, sicherem Einkommen, einer kleinen Mietwohnung und dass er auf eigenen Füßen steht, bekam Amir im März 2017 den Abschiebungsbescheid“, erklärt Carina Böhringer-Ruh, die in der Metzgerei für das Kaufmännische und Personal verantwortlich ist. Das könne sie bis heute nicht verstehen, „er ist integriert, spricht inzwischen gut Deutsch und nimmt niemanden einen Arbeitsplatz weg.“ Seit nun eineinhalb Jahren läuft sein Verfahren und rein theoretisch, so die Juniorchefin weiter, könne er morgen von der Polizei abgeholt werden. Amir selbst erklärt dazu, dass er in Karlsruhe eine Prüfung ablegen musste und diese nicht bestanden habe. "Seit 18 Monaten warte ich nun schon auf einen neuen Termin, der in Freiburg stattfinden soll." Er habe deshalb auch schon auf seine Kosten einen Rechtsanwalt eingeschaltet und versteht nicht wirklich, warum zwischen zwei Terminen eine so lange Wartezeit liegen muss.
Wie wichtig Fachkräfte und Hilfskräfte, egal ob Deutscher oder auch Flüchtlinge für Handwerksbetriebe sind, zeigt die nachfolgende Schilderung von Carina Böhringer-Ruh: "Im Frühjahr 2019 steht für unsere Metzgerei eine Veränderung an. Da mein Vater und ich unseren Mitarbeitern gegenüber auch eine Verantwortung haben, habe ich über die Innung bei anderen Betrieben freie Arbeitsplätze erfragt. Das Ergebnis war überwältigend. Innerhalb von zwei Tage lagen uns 70 Stellenangebote für Fachkräfte vor und selbst unsere Hilfskraft Amir Ghasemi, wurde zehn Mal angefragt." Das unterstreiche auch ein wenig die Situation, in der sich wohl nicht nur Metzgereien sondern wohl viele Handwerksbetriebe befinden.
Information
An 17 Standorten bietet der Arbeitskreis für Aus- und Weiterbildung (AAW) über 120 verschiedene Lehrgänge und Beratungsleistungen an, auch in Offenburg. Informationen gibt unter 0781/9192890 oder unter www.aaw.de
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