Angedacht: Tobias Strigel
Regelmäßiges Prüfen der Handlungsmuster

Tobias Strigel | Foto: privat

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – Sie auch? Ich schon, wenn ich da an manche Alltagsroutine und Traditionen denke, die ich pflege. Vielleicht hat mich deshalb folgende Geschichte, die ich in einem Buch des Jesuiten Peter Knauer gelesen habe, „tierisch“ zum Nachdenken angeregt:

„Ein Guru hielt mit seinen Jüngern täglich eine Abendmeditation. Als eines Tages die Hauskatze während dieser Zeit in den Meditationsraum lief und störte, ordnete er an, sie solle während dieser Zeit draußen festgebunden werden. So konnte man von da an wieder ungestört meditieren. Aber die Zeit verging. Der Guru starb und bekam einen Nachfolger. Dieser hielt sich streng an die Tradition, dass während der Abendmeditation draußen eine Katze angebunden sein müsse. Als schließlich auch die Katze starb, wurde eine neue Katze angeschafft, um sie während der Abendmeditation anbinden zu können. Mit der Zeit jedoch kam die Abendmeditation selbst ganz außer Gebrauch; niemand mehr interessierte sich dafür. Aber mit größter Treue wurde wenigstens der Ritus des Katzenanbindens beibehalten.“

Es ist entlastend, dass wir uns nicht immer neu erfinden müssen, sondern uns an Gewohnheiten, Routinen und Traditionen orientieren können. Nicht weniger bedeutsam ist allerdings auch, diese Handlungsmuster regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen. Da kann es sinnvoll sein, sich von etwas zu lösen, das wir schon immer so gemacht haben. Etwas, das aufgrund veränderter Umstände allerdings zwischenzeitlich ziemlich sinnfrei geworden ist.

Die Situation mit der Katze, die laut miauend einen Gottesdienst besuchte, hat sich übrigens neulich so zugetragen – in einer Kirche in Gengenbach bei geöffneter Tür. Anstatt die Katze anzubinden, wurde ihr dort jedoch die Freiheit geschenkt. Sie haben unter Ihren Gewohnheiten auch angebundene Katzen entdeckt? Dann versuchen Sie doch einfach mal, dem Tier die Freiheit zu schenken. Vielleicht werden ja auch Sie dadurch etwas freier.
Tobias Strigel, Leiter der Diözesanstelle Ortenau

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