Ihr Begleiter durch die Woche
Mein Kalenderwechsel zur Urlaubszeit

Simon Schilling | Foto: privat

Etwas wehmütig blickte ich dieser Tage in meinen Religionslehrerkalender. Er wird nicht mehr aufgelegt. Smartphones hätten ihn abgelöst, er sei immer weniger bestellt worden, so erfuhr ich auf Nachfrage. Seit ungefähr 20 Jahren ist er mein täglicher Begleiter. Sein für mich unschlagbarer Vorteil im Vergleich zu anderen Kalendern: Er beginnt mit dem Schuljahr, das meinem Arbeitsjahr ähnlich ist. Mein Kalenderwechsel stand also nicht zum 1.1. eines neuen Jahres an, sondern zum Schuljahresende, zum Ende meines Arbeitsjahres. Nach dem großen Sommerurlaub ging es mit dem neuen Kalender weiter.
Außerdem hat er – der Kalender – mich bei einem Blick auf seine Seiten immer wieder durch interessante Gedanken und Zitate ins Nachdenken gebracht. Ein Griff zum Kalender war also für mich nicht nur verbunden mit einem gestressten Blick auf die vielen Termine, sondern oft auch mit einer gewissen Vorfreude, welches Bild, welcher Gedanke mir wohl an diesem Tag begegnen würde, nebst all der weltlichen und religiösen Gedenk- und Feiertage.
Am heutigen Sonntag – das verrät mein Kalender – ist nun der 19. Sonntag im Jahres-kreis und internationaler Tag der Jugend. Dem Pfarrer Karl Leisner, von den Nazis 1945 getötet, wird gedacht. Daneben steht ein Zitat von Evelyn Finger aus einem "ZEIT"-Interview: „Religion lehrt, dass es Größeres gibt als uns selbst. Religionskritik lehrt, dass dieses Größere verneint werden darf. Wer beides lernt, ist fähig zur Religionsfreiheit, ohne die es kein friedliches Miteinander der Kulturen geben wird: unbehelligt glauben oder nicht glauben dürfen.“
Vielleicht verstehen Sie, was ich von nun an vermissen werde, wenn "mein" Kalender nicht mehr aufgelegt wird: interessante Zitate, die zum Nachdenken einladen; von Kindern gemalte Bilder, die die oftmals erschreckende Terminflut durchbrechen; Verweise auf kirchliche und weltliche Gedenktage, die einem Mut machen, den Alltag mit Religion zu verbinden und Religion nicht ohne den Alltag zu verstehen.
Wahrscheinlich gibt es schon eine App, die ähnliche Dienste bietet. Aber meine Wehmut ist noch zu groß, als dass ich zu einer solchen Alternative greifen möchte.
Vielleicht hilft mir der bevorstehende Urlaub, von dem liebgewonnenen Kalender loszulassen… Aber dann sehe ich beim Weiterblättern dieses spannende Zitat von Madeleine Delbrêl: „Mühe dich nicht zu schweigen, höre lieber zu.“ Ich brauche kurz, um diesen Satz zu erfassen.
Er könnte ein Begleiter für den bevorstehenden Urlaub sein, wenn ich wieder mehr Zeit für Freunde und Familie habe.

Simon Schilling,
Pastoralreferent und Seelsorger in der JVA Offenburg

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