An(ge)dacht: Ihr Begleiter durch die Woche
Heute werde ich den Tag erleben
Immer wieder sehe ich Menschen, die da zu sein scheinen, aber doch weit weg sind: Tief über ihr Smartphone gebeugt verbinden sie sich mit den Smartphones von Abwesenden. Und ich begegne Menschen, die nicht jetzt leben, sondern in der Vergangenheit nach dem Glück oder nach den Verantwortlichen für ihr Unglück suchen. Andere sind schon weit voraus in einer erträumten Zukunft. Darüber vergessen sie, dass sie heute leben. Ein Lebensziel wäre es zu üben, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Der Dalai Lama schreibt: „Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist gestern, der andere ist morgen. Heute ist genau der richtige Tag um zu lieben, zu glauben, zu tun und vor allem zu leben.“
Die weit verbreitete Aufschieberitis hilft nicht weiter. Ein abgewandeltes Sprichwort sagt: „Was du heute kannst verschieben, das bleibt auch noch morgen liegen.“ Wenn jemand beispielsweise sagt: Morgen höre ich mit dem Rauchen auf, klingt das nicht sehr Erfolg versprechend. Packen wir es heute an!
Das muss aber nicht als ein Aufruf zu Aktionismus verstanden werden. Ich lebe heute und muss heute nicht mein ganzes Leben in Ordnung bringen. Von Papst Johannes XXIII. sind die „10 Gebote der Gelassenheit“ überliefert, in denen er sich „nur für heute“ vornimmt, Dinge zu erledigen oder glücklich zu sein, in der Gewissheit, geschaffen zu sein, um glücklich zu sein. „Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen“, ist sein erster Vorsatz.
Wenn Christen im "Vater unser" beten: „…unser tägliches Brot gib uns heute“, dann meint das: Heute bitten wir um das Notwendige zum Leben – für heute. Und so mahnt Jesus in der Bergpredigt: „Sorgt euch nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.“
Ein Tun, das ebenfalls nur heute möglich ist, ist das Lassen. Heute, am Sonntag, darf ich die Arbeit einmal liegen lassen, ich brauche nichts zu leisten. Ich darf mir Zeit nehmen für die Familie, für einen Spaziergang, für ein Buch... Heute – nicht gestern oder morgen!
Clemens Bühler
Leiter des kath. Bildungszentrums Offenburg
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