Angedacht: Gerhard Bernauer
Ein Hoffender packt an, er resigniert nicht
Mit meinen 84 Lebensjahren habe ich als Kind den Krieg in Freiburg erlebt. In der Nähe der Bahnlinie wohnend waren wir immer wieder Fliegerangriffen ausgesetzt. Die Ängste von damals kommen mir derzeit massiv in Erinnerung, wenn ich die verstörenden Bilder aus der Ukraine sehe.
Kriegszeiten in lebender Erinnerung
Wie damit umgehen? Als Heranwachsender inmitten einer zerstörten Stadt ist mir bis heute in lebhafter Erinnerung geblieben, dass bald nach Kriegsende eine Jugendzeitschrift ihre erste Ausgabe unter dem Titel veröffentlichte: „Wir heißen euch hoffen“. Bis heute begleitet mich dieser Satz, der unserer damaligen Nachkriegsgeneration ans Herz gelegt wurde und uns Jugendliche inspirierte.
Im Lauf meines Lebens habe ich gelernt, dass ein hoffender Blick auf Gegenwart und Zukunft das Beste ist, was ich tun kann. Ich meine damit nicht den Optimismus meiner Onkels und Tanten mit ihrem „Es wird schon wieder“. Mit der Zeit habe ich verstanden, dass der Hoffende ein Realist ist, der weiß, dass es auch schiefgehen kann, aber deswegen nicht resigniert. Wer hofft, weiß um das Risiko seines Lebens, aber er schottet sich nicht ab von der Welt, sondern packt an, sagt ja zu einem Leben mit all seinen Gefahren, Mühen, Freuden und Schönheiten.
Als Papst Franziskus an Ostern vor zwei Jahren zu Beginn der Pandemie ganz allein im dunklen Petersdom stand – die Bilder gingen um die Welt – sprach er von einem „Recht auf Hoffnung“, das wir uns nicht selbst besorgen müssen, weil es eine Gabe Gottes ist. Wir tragen sie in uns und haben somit ein Grundrecht darauf, dass die Hoffnung uns trägt. Von Ostern her, das wir in wenigen Wochen feiern, spüre ich, dass Gott, der den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat, mitten in unsere großen Gegenwarts- und Zukunftängste einen sicheren Anker in unsere Seele wirft und sagt: „Ich heiße euch hoffen“.
Gerhard Bernauer, Pfarrer i. R., Offenburg
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