Fussnote
Der Ball rollt dennoch weiter

Ja, es geht um Fußball, aber längst nicht nur. Zuletzt vor mehr als zehn Jahren stand keine deutsche Bundesligamannschaft in einem Halbfinale eines der beiden europäischen Wettbewerbe. Bayern München, Borussia Dortmund und Schalke 04 hießen die letzten Vertreter, die im Laufe dieser Woche die Segel strichen und ausgeschieden sind. Real Madrid, AS Monaco und Ajax Amsterdam heißen die siegreichen Teams aus Spanien, Frankreich und den Niederlanden.
Sportliche Ausreden für das Scheitern gibt es viele – Unvermögen, Pech, der Gegner und natürlich der Schiedsrichter. Für die Westfalen gibt es nur eine Begründung: der Anschlag beim Heimspiel auf den fahrenden Bus mit der kompletten BVB-Mannschaft an Bord. Vor allem, seitdem am Freitag die Berichte über die wahrscheinlichen Hintergründe der Bombenexplosionen bekannt wurden.
Wie krank Gier machen kann, zeigt sich bei dem Verdächtigen. Er wettete mit vergleichsweise geringen Einsätzen und vielfachem Gewinn auf einen Kurssturz der BVB-Aktie, mietete ein Zimmer mit Blick auf die Busroute im Mannschaftshotel an, baute drei hochgefährliche Bomben, ließ sie explodieren und legte mehrere falsche Fährten durch irreführende Bekennerschreiben. Die Zitate der Empörung über das ermittelte Motiv geben eine vermeintlich gewonnene Erkenntnis wider: unvorstellbar.
Es führt gleichzeitig das System des marktwirtschaftlichen Kapitalismus ad absurdum. In Deutschland regen wir uns über Sportwetten auf und pochen mit Rücksicht auf Sucht und andere Krankheiten auf das staatliche Lotterie-Monopol. Gleichzeitig erlauben die gleichen Gesetzgeber solche Wetten – und nichts anderes tat der Verdächtige – an deutschen Börsen. Diese krankmachende Gier steckt doch erst hinter solchen Möglichkeiten, diese anbieten zu können.
In einer ersten Reaktion hatte BVB Dortmund-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke einen Rückzug seines Vereins aus der finanziell lukrativen Champions League in Erwägung gezogen. Mehr Ernsthaftigkeit haben da seine neuesten Ankündigungen. Er sucht nach ehemaligen Spezialeinsatzkräften von GSG9 oder Bundeskriminalamtsbeamten, um das Sicherheitsbedürfnis des einzigen börsennotierten deutschen Vereins zu befriedigen. Auch das zeigt die Krankhaftigkeit des Systems.
Der Ball wird weiter rollen – vielleicht sollte man das Geld abschaffen. rek

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