Ehrung für Matthias Katsch
Befreiender Moment nach Jahren des Schweigens

Matthias Katsch ist seit einer Woche Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und hat seine Erfahrungen in seinem Buch "Damit es aufhört" aufgearbeitet.  | Foto: Michael Bode
  • Matthias Katsch ist seit einer Woche Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und hat seine Erfahrungen in seinem Buch "Damit es aufhört" aufgearbeitet.
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Offenburg. "Zwei Männer erhalten eine Auszeichnung für ein Thema, für das sich Frauen seit vielen Jahren einsetzen", gibt Matthias Katsch zu bedenken. Doch durch die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz vor wenigen Tagen durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Berliner Schloss Bellevue fühle er sich "wirklich geehrt" und empfindet es als Anerkennung für das jahrelange Engagement". Gemeinsam mit Katsch erhielt auch Jesuitenpater Klaus Mertes das Bundesverdienstkreuz.

Ihre Wege kreuzten sich, als der seit 2007 in Offenburg lebende Katsch zusammen mit zwei ehemaligen Schulkameraden sich an den damaligen Schulleiter des renommierten Berliner Canisius-Kollegs Klaus Mertes wandte. Ihr Ziel: Zugang zu den Adressdaten ehemaliger Schüler der 1970er- und 1980er-Jahre, um per Brief Nachforschungen anzustellen. Bei einem Klassentreffen war unter den früheren Absolventen dieser katholischen Privatschule erstmals untereinander das Thema sexueller Missbrauch durch Lehrer aufgekommen. "Es war ein befreiender Moment", erinnert sich Katsch an die Wirkung. "Einer muss sprechen und einer muss zuhören", hatte Katsch bei der Verleihung sowohl den eigenen Mut angesprochen, die Jahre des Schweigens zu beenden, als auch den des Jesuitenpaters. Denn Mertes sagte: "Wir glauben euch." Drei Tage später schrieb nicht Katsch mit den früheren Kameraden den Brief, sondern der Rektor verschickte ihn im Namen des Canisius-Kollegs an 600 Ehemalige. Herausgekommen ist die Erkenntnis, dass es sich um jahrelangen und systematischen Missbrauch von Schülern durch einzelne Ordensleute handelte. Katschs Initiative mündete so in einer großen gesellschaftlichen Debatte.

Offenburg, Taipeh und Santiago de Chile

Matthias Katsch ist jetzt 58 Jahre und wurde rund zwei Jahre nach dem Mauerbau in West-Berlin geboren. Weil ein Schulfreund nach der Grundschule auf das Canisius-Kolleg wechselte, schloss sich Katsch ihm an. Während sein Freund frühzeitig die Schule verließ, machte Katsch dort Abitur. Es folgte eine Studium von Philosophie und Politik, zu Beginn in Berlin, den Magister-Abschluss legte er in München ab und schloss noch ein betriebswirtschaftliches Studium in St. Gallen an. "Die absurde politische Weltlage Berlins war mir als Bewohner der Stadt nicht so bewusst", so Katsch in der Rückschau. "Wahrscheinlich finde ich einen ethnologischen Blick heute von außen in vielen Fragen so interessant."

So war er etwa 18 Monate während seines Studiums – als Berliner musste Katsch weder einen Wehr- noch einen Zivildienst absolvieren – in Chile in Gemeinden in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. So fand Katsch, nachdem er von der Institution Kirche enttäuscht wurde und bis heute ist, einen Weg, seinen Glauben zu leben. "Zu der indigenen Familie der Mapuche, bei der ich damals wohnte, habe ich bis heute Kontakt", erzählt Katsch, der dort auch die spanische Sprache lernte. Die Befreiungstheologie mit ihrem Ansatz, den Glauben durch die Augen der Armen zu sehen, hatte sein Interesse geweckt. Mit seinem Bruder hat Katsch Machu Pichu in den peruanischen Anden erkundet. Durch seinen taiwanesischen Ehemann, der als Ingenieur bei einem in Offenburg ansässigen Unternehmen tätig ist, und der Auslöser war, nach Offenburg zu ziehen, "habe ich auch die asiatische Einstellung zu Religion und die Spiritualität erfahren".

Seit einigen Jahren ist Katsch als Unternehmensberater und Management-Trainer selbständig. Offenburg mit seinem ICE-Anschluss ist für ihn und seine Dienstreisen Gold wert. "So bin ich viel schneller in Frankfurt oder Köln als ich es von Berlin aus wäre." Sein Aufgabengebiet als Berater ist darauf zu wirken, dass die Mitarbeiter angesichts neuer beruflicher Anforderungen vom Management des Unternehmens mitgenommen und eingebunden werden.

Schwermut und Brüche in seinem Leben kann er heute, zehn Jahre nach dem Beenden des Schweigens einordnen. Durch seine Reisen in der Jugend wollte er vor etwas fliehen, "was mir aber nicht gelang". Heute empfindet er es als Glück, unterwegs zu sein. Seit 2007 lebt Katsch in Offenburg: "Mit dem Schwarzwald im Rücken und dem Elsass vor der Brust lässt es sich sehr gut leben." Rembert Graf Kerssenbrock

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