Ein früher und kurzer Herbst
Winzer erwarten einen tollen Jahrgang
Offenburg-Zell-Weierbach (gro). Corona stellt auch die Weinbaubetriebe vor neue Herausforderungen. Das machte Bernd Hammes, Bereichsvorsitzender des Badischen Weinbauverbandes, beim traditionellen Herbstgespräch der Offenburger Winzer deutlich. Denn viele Veranstaltungen, die den Kontakt zum Kunden ermöglichen, fielen in diesem Jahr aus. Das Gespräch fand - unter Beachtung aller Abstands- und Hygieneregeln - im Burgundersaal des Winzerkellers & Vinothek Zeller-Abtsberg in Offenburg statt.
Zum ersten Mal gab der Anfang des Jahres gewählte Bereichsvorsitzende einen Überblick über den Verlauf der Lese 2020. "Der Niederschlag im Winter war zu gering, um die fehlenden Mengen des Sommers auszugleichen", so Hammes. Dann sei der extrem trockene April mit einem sehr frühen Austrieb der Reben gefolgt. Eine Frostnacht am 12. Mai sorgte lokal begrenzt für einen Totalausfall, die Triebe erfroren. "Entgegen der Hoffnung erholten sich die Reben nicht", sagte er. Es folgte eine rasche Rebblüte im Mai und Juni. "Krankheiten und Schädlinge waren in diesem Jahr keine große Herausforderung im Weinberg", resümierte Hammes. Allerdings hätten die Trockenheit und Hitze die Winzer gefordert. "Nur wenige Rebberge können bewässert werden", machte der Bereichsvorsitzende deutlich. Die Reife der Trauben sei schnell vorangeschritten, so dass die Lese bereits am 20. August mit den Sorten für neuen Wein begonnen habe. "Anfang September startete die Hauptlese und war Ende des Monats abgeschlossen", so Hammes.
Erträge in der Ortenau
Die Erträge in der Ortenau waren laut dem Fachmann über alle Sorten leicht überdurchschnittlich, beim genauen Hinschauen zeigte sich, dass vor allem der Riesling und Müller-Thurgau die Gewinner des Jahres sind, während die Burgundersorten im Ertrag leicht unterdurchschnittlich sind. Dies sind die durchschnittlichen Lesemengen der wichtigsten Sorten:
- Riesling 112 kg/Ar, ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr
- Müller-Thurgau 125 kg/Ar, ein Plus von vier Prozent
- Ruländer 85 kg/Ar, ein Minus von sieben Prozent
- Weißburgunder 107 kg/Ar, ein Minus von acht Prozent
- Chardonnay 100 kg/Ar, etwa Vorjahresniveau
- Spätburgunder 96 kg/Ar
"Die Spätburgundergruppe war insgesamt durch den Wetterumschwung während der Rebblüte im Ertrag geringer. Die Hitze während der Lese sorgte außerdem für einen Gewichtsverlust", so Hammes. "Es war ein ungewöhnliches und anstrengendes Jahr, das frische und fruchtige Weine erwarten lässt. Die Winzer können insgesamt zufrieden sein."
Corona und Weinbau
Dass Corona die Betriebe fordere, bestätigten die Vertreter der Weinbaubetriebe - Schloss Ortenberg, Weinmanufaktur Gengenbach-Offenburg, Winzergenossenschaft Rammersweier, Weingut Freiherr von und zu Franckenstein, Weingut Renner, Ortenauer Weinkeller (OWK) und Weingut Pieper-Basler. Vor allem der Wegfall von Messen und Weinfesten wurde bedauert. Gelobt wurde das Engagement der Stadt Offenburg, die gemeinsam mit den Weinbaubetrieben Ersatzformate gefunden hat. Tanja Keck vom Stadtmarketing gab einen Überblick über die Veranstaltungen während des Sommers: Sehr gut angenommen wurden die beiden Weinproben auf dem Marktplatz, auch die beiden Weinsamstage, bei denen Kunden, die für mehr als 80 Euro im Offenburger Einzelhandel eingekauft hatten, eine Flasche Wein erhielten, waren ein Erfolg. Der gemeinsame Stand der Offenburger Weinerzeuger auf dem Wochenmarkt wurde ebenfalls gut frequentiert. "Wir werden diese Veranstaltungen auch im nächsten Jahr anbieten", so Tanja Keck. Das gilt ebenfalls für die Weinspaziergänge, die anstelle des Weinwandertags im Corona-Jahr angeboten wurden. "Wir wollen sie im April 2021 weiterführen und hoffen, dass es nächstes Jahr wieder einen Weinwandertag geben wird", so Matthias Wolf, Geschäftsführer des Weinguts Schloss Ortenberg. "Dieses Jahr war eine Herausforderung für die Betriebe, weil sich die Bedingungen ständig veränderten und darauf reagiert werden musste." Er erwähnte auch die Aktion "Stay at Home - Dein Offenburger Weinpaket für zu Hause", die während des ersten Lockdowns im Frühjahr angeboten wurde. Sie soll zu Weihnachten eine Neuauflage erleben: Sechs Weine von sechs Offenburger Weinerzeugern, die passend zur Jahreszeit ausgewählt wurden, werden zusammengestellt.
Begleitet von einer Probe der noch sehr jungen Weine 2020 zogen die Weinbaubetriebe eine eigene Bilanz. Christian Gehring, Geschäftsführer der Weinmanufaktur Gengenbach-Offenburg, stellte mit einem Sauvitage eine neue Rebsorte vor, die einen aromatischen Wein mit frischer Säure ergibt. "Ein spannender Wein, es handelt sich um eine pilzresistente Sorte", so Gehring. Mit einer feinen Säure präsentierte sich ein Weißburgunder aus der Weinmanufaktur. "Es war eine komprimierte Ernte", so Gehring. "Die Zuckerwerte in den Trauben stiegen schnell an. Wir hatten sehr schöne, gesunde Trauben."
Frühe und kurze Lese
Auch in der Winzergenossenschaft Rammersweier startete die Lese mit der Sorte Solaris früh. Die Mengen waren zufriedenstellend, so Geschäftsführer Georg Lehmann, nur der Grauburgunder hat unter dem Frost im Mai gelitten. "Die klassische Lesereihenfolge hat sich verändert", stellte Lehmann fest. Dieses Jahr sei mit Spät- und Grauburgunder gestartet worden, statt wie sonst mit Müller-Thurgau. Ziel war, nicht allzu alkohollastige Weine zu erhalten. "Auch die Art der Lese ist anders: Tagsüber ist es heiß, so dass in der Nacht mit einem Vollernter und am frühen Morgen gelesen wurde", so Lehmann. Er präsentierte einen sehr ausgewogenen Müller-Thurgau.
Eine frühe komprimierte Lese und geringere Mengen gab es im Weingut Renner Fessenbach. "Wir gehen immer stärker in die Premiumschiene, deshalb sind die Mengen reduziert", erklärte Mathias Renner. Angesichts der corona-bedingten Probleme mit Erntehelfern war er froh, dass seine Lesemannschaft aus dem Dorf stammt. Der vorgestellte Weißburgunger wies eine feine Zitrusnote und eine schöne Säure auf.
Hervorragender Jahrgang
Jochen Basler vom noch jungen Weingut Pieper-Basler brachte es auf den Punkt: "Der Herbst war früh und schnell. Man kann bei der Lese fast nur noch zu spät kommen, sonst sind die Mostgewichte zu hoch." Drei Wochen ab dem 29. August habe die Hauptlese gedauert. "Für uns der schönste Jahrgang", ist sich Basler sicher. Gelesen wurde in den Morgen- und Abendstunden, um die hohen Erntetemperaturen im Griff zu haben. "Wir bemühen uns immer stärker, ökologisch zu arbeiten und haben 2019 unseren ersten Naturwein ohne Zusatz von Hefe oder Schwefel produziert", so Basler. Er präsentierte aus diesem Segment einen Riesling, der durch einen ungewöhnlichen Geschmack überraschte.
"In diesem Jahr ist uns in allen Lagen ein ökologischer Anbau gelungen", so Stefan Huschle vom Weingut Freiherr von und zu Franckenstein. Je nach Witterung und Lage sei dies nicht immer möglich. Er ließ noch einmal die Diskussion um die Aktion "Pro Biene" aufleben und forderte auf: "Wir sollten im Weinbau überlegen, was wir noch tun können. Es sind oft nur Kleinigkeiten, mit denen wir Winzer ohne großen Aufwand etwas beitragen können." Huschle beschrieb, dass er die Rebanlagen alternierend gemulcht habe, so dass sich immer Rückzugsgebiete für Insekten ergeben hätten. Er präsentierte einen Riesling, der alle Aromen mitbringt, die von dieser Sorte in der Ortenau erwartet werden.
Mostgewicht bestimmt den Lesezeitpunkt
Bernd Hammes vertrat die OWK und brachte einen Sauvignon Blanc mit. "Die Trauben wurden früh geerntet und in der Kellerei heruntergekühlt. Der Wein präsentiert sich angenehm trocken mit Aromen von Stachelbeeren", so Hammes.
"Wir spiegeln den Leseverlauf in Baden perfekt wider", erklärte Matthias Wolf, Weingut Schloss Ortenberg. Der Herbst 2020 sei anspruchsvoll für den Kellermeister gewesen. "Wir hatten einen Rieslinglesetag vor der Sorte Müller-Thurgau, es geht alles durcheinander. Es gibt kein Schema F." Dabei werden im gemeinsamen Weingut der Stadt Offenburg und des Ortenaukreises viele verschiedene Sorten angebaut. "Dies kommt noch aus der Zeit, als wir Versuchsweingut waren", so Wolf. Zum ersten Mal habe man einen Cabernet Sauvignon in perfekter Vollreife geerntet. "Es werden Rotweinsorten zum Spätburgunder dazukommen und diesen als Partner begleiten", ist sich Wolf sicher. 2020 ist für ihn ein "herausragend guter Jahrgang".
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