Stadtteilspaziergang Nordwest
Tankstelle mit besonderer Kundschaft

Die Stadtteilspaziergänge in Nordwest erfreuen sich großer Beliebtheit. | Foto: suwa
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Offenburg (st) Der jüngste Stadtteilspaziergang im Sanierungsgebiet Bahnhof-Schlachthof Offenburg führte die rund 35 Teilnehmer von der Mölders-Tankstelle bis zur ehemaligen Riegeler Bierablage in der Okenstraße. Inga Rosenkranz, Frank Leonhard, Gerhard Neumaier sowie Peter Becker erinnerten sich, hatten recherchiert oder Anekdoten beigetragen.

Los ging es laut Pressemitteilung der Stadt Offenburg an der heute denkmalgeschützten und in städtischem Besitz befindlichen Tankstelle von Heinz Mölders an der Ecke Rheinstraße/Okenstraße. Die einstige Firma Faveg, die Fahrzeugverkaufsgesellschaft, hatte bereits im Jahr 1933 einen Antrag für eine Großtankstelle eingereicht. Auch der erste Opel-Händler Offenburgs hält hier Einzug. Nach dem Krieg erfolgt die Modernisierung von Dach und Zapfsäulen, später kommt eine Diesel-Zapfsäule hinzu sowie ein Münz-Tank-Automat des Anbieters BP.

Stilllegung 1974

1974 wird die Tankstelle stillgelegt. Klaus Mölders ist weiter der Eigentümer. Nutzungen vom Autohandel bis zu Hebebühnen folgen. 1985 verkauft Mölders an die Stadt. Die Tanks lagern bis heute im Boden. Wie sich Ha-Jo Kaechelen erinnert, befand sich hier ab 1936 auch die erste MG-Vertretung Süddeutschlands. „Hier hat auch die Prominenz getankt, darunter der Fürst zu Fürstenberg, der damals zu einem Rennteam gehörte. Denn hier wurden die MGs auch entsprechend für die Rennen getunt.“ Gegenüber der Tankstelle befand sich die ehemalige Ingenieurschule, später die Waldorfschule. Frank Leonhardt kaufte den darauf befindlichen Funkturm und ließ ihn mittels Spezialkran nach Waltersweier transportieren. In seinem dortigen Geschäft leistete der Funkturm dem leidenschaftlichen CB-Funker beste Dienste.

Weiter ging es zur Ecke Tulla-/Okenstraße, wo einst der Milchladen der Frau „Klaudebier“ eine wichtige Anlaufstelle war. Die Dame hieß richtig Claudepierre, der Volksmund hat es sich zurechtgelegt. Kinder wurden hierhergeschickt, um Milch in der Milchkanne zu kaufen oder um für die Großmutter ein ordentliches Stück Tilsiter zu erwerben. Frank Leonhardt gründete in diesem Laden sein CB-Funk-Geschäft. „Ich war der erste in Deutschland“, berichtete er stolz.

Bier im Quartier

Weiter ging es zur ehemaligen Riegeler Bierablage in der Okenstraße. Seit 1834 hatte sich hier ein Auslieferungshaus der Familienbrauerei Riegeler befunden, eines von 30, wie sie die Brauerei entlang der Bahnstrecke hat bauen lassen. Eine Wandmalerei im Innenhof zeigt, wie die Fässer mit dem Pferdefuhrwerk vom Bahnhof zur Brauerei gebracht und dort entladen und gelagert wurden. Anschließend wurde das Bier im acht Meter hohen Eiskeller eingelagert. Dieser mutet von außen wie eine Kapelle mit Glockenturm an. Nur ohne Glocke. Peter Becker, heutiger Eigentümer der Immobilie, erzählte eindrucksvoll, wie in den Wintermonaten der Eiskeller mit dem Eis aus der Kinzig gefüllt wurde. Die Wände sind ein Meter dick. Mittig wurde Kork als Dämmung eingearbeitet. Heute ist hier die Offene Fahrradwerkstatt.

Parallel zur Okenstraße verläuft die Haselwanderstraße. Gerhard Neumaier, ehemals Lehrer an der Friedrich-August-Haselwander-Gewerbeschule, berichtet von den eindrucksvollen Erfindungen Haselwanders. Sie sind heute in jeder Lokomotive, in jedem Auto, in jeder Hochspannungsleitung. „Alle Antriebe gehen auf Haselwander zurück“, schilderte der Technikbegeisterte. Weltweit werden täglich eine Million Motoren gebaut, die auf Haselwanders Erfindung bauen. „Er hat unser technisches Leben grundlegend verändert.“ Leider blieb er glücklos, verlor den Rechtsstreit um seine Patente und wurde so um seinen Ruhm gebracht.

Haselwander widmete sich danach dem Verbrenner-Motor. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Alten Friedhof. Auf seinem Grabstein heißt es „Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.“

Der nächste Stadtteilspaziergang mit Post-Straße und „Im Pfählerpark“ ist am Donnerstag, 19. September, 18 Uhr. Treffpunkt ist Im Pfählerpark 4. Wer Ideen für einen Stadtteilspaziergang oder andere Projekte hat, wende sich an Simon Krummradt, Quartiersmanager, Telefon 0781/822562, E-Mail: info-tanke@offenburg.de.

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