Neujahrsempfang Offenburg
Plädoyer für Freiheit und Demokratie
Offenburg (gro) "Demokratie. Miteinander. Füreinander" lautete das Motto des Offenburger Neujahrempfangs am Sonntag, 14. Januar. In seiner Ansprache erfüllte Oberbürgermeister Marco Steffens dieses Motto mit Leben. Er erinnerte an den verstorbenen Ehrenbürger Wolfgang Schäuble, der Krisen als Chancen sah. "Wir werden sein Andenken ehren", so Steffens, "indem wir das tun, was Wolfgang Schäuble, der Bewunderer der Pflichtethik Immanuel Kants immer als zentral ansah: Unsere tägliche Arbeit für das Gemeinwohl. Miteinander. Füreinander. Und ohne zu Jammern."
Offenburg sei in den vergangenen Jahren beträchtlich gewachsen, damit seien auch die Aufgaben gestiegen. "Wir müssen uns noch mehr ins Zeug legen als bisher, um die gestiegenen Herausforderungen zu bewältigen", betonte Steffens. Für ihn gelingt dies in einer solidarischen Gemeinschaft. "Aber ich mache mir keine Illusionen. Der Weg aus der Krise wird steinig. Weil die Krisen vielfältig sind. Das unterscheidet unsere Zeit von früheren." Laut Steffens habe es in den Jahrzehnten zuvor stets die Möglichkeit gegeben, sich zwischen den Krisen zu erholen. "Heute haben wir multiple Krisen, die in kurzen Abständen aufeinanderfolgen. Einige verlaufen sogar zeitgleich", erklärte das Offenburger Stadtoberhaupt.
Krisen bewältigen
Zu Beginn einer erfolgreichen Bewältigung dieser Krisen steht für Steffens eine Analyse der Aufgaben. Diagnose komme vor Therapie, es gelte sich selbstkritisch zu fragen, ob die Instrumente des Staates in Bund, Ländern und Kommunen zur Krisenlösung noch die richtigen seien. Der Staat habe in den vergangenen Jahren zu viele Aufgaben an sich gezogen. Er dringe regulierend in immer mehr Bereiche vor, schaffe ein Übermaß an Bürokratie. "Alle Ebenen tendieren mehr und mehr zu so viel Saat wie möglich", sagt der OB. Das Resultat: Die Menschen würden sich bevormundet fühlen, er entstehe der Eindruck, der Staat habe sich übernommen. Er verspreche Lösungen, ohne sie am Ende zu erreichen. Für Steffens birgt dies das Risiko der Staatsverdrosseneit, die für die Demokratie gefährlich sei.
Ein Scheitern drohe ebenfalls bei dem Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern. Die Kommunen hätten nicht die Ressourcen, das Versprechen des Rechtsanspruchs auf Grundschulbetreuung einzulösen. Enttäuschung sei vorprogrammiert. Als Gegenmittel empfiehlt der OB deutlich zu machen, dass der Staat nicht alles regeln könne. "Nur so können wir falsche Erwartungen vermeiden. Der Staat kann nicht jede Krise kompensieren, das ist ein nicht zu haltendes Versprechen."
Freiheit bewahren
Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit war ebenfalls Bestandteil der Rede. Er beobachte, dass Bund, Länder und Gemeinden aufeinanderzugingen. "Das ist eine gute Nachricht. Sie gibt uns die Freiheit zu sahen, was machen wir nicht staatlich. Das müssen wir. Sonst können wir die Freiheit nicht bewahren. Und laufen in Gefahr, alle Erfolge zu verlieren, die mit Freiheit verbunden sind." Da wir an Freiheit gewöhnt seien, würden wir sie für selbstverständlich halten. "Doch das ist sie nicht. Sie muss immer wieder aufs Neue errungen und gefestigt werden", betonte Steffens.
Die Überforderung des Staates habe aber ebenso mit gewachsenem Anspruchsdenken zu tun. "Viele Menschen rufen immer schneller nach dem Staat, wenn es Probleme gibt. Dabei lebt die Demokratie vom Demos, dem Volk. Nichts kann auf Dauer gelingen, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht selbst Hand anlegen, mitarbeiten. Es braucht Eigeninitiative, besonders auf kommunaler Ebene, Übernahme von Verantwortung, wenn wir unseren Staat funktionsfähig erhalten wollen." Bei aller Kritik sei die Politik nicht allein schuld, wenn etwas schieflaufe. Alle trügen Verantwortung. Dazu gehöre auch die Beteiligung an Wahlen. Steffens appellierte sowohl an den Kommunalwahlen als den Europawahlen teilzunehmen. "Machen Sie von der Freiheit Ihres Stimmrechts Gebrauch. Gehen Sie zu den Wahlen. Das ist die Bringschuld aller Bürgerinnen und Bürger. Überlassen Sie das Feld nicht verantwortungslosen EU-Kritikern, die blind sind für die Vorzüge des europäischen Einigungswerkes." Die EU sei nicht, wie von Populisten auf beiden Seiten des politischen Spektrums behauptet, für Deutschland ein Klotz am Bein. "So ein Blödsinn, ein absoluter Unsinn", so Steffens. Deutschlands Wohlstand hänge von engen und guten Kontakten in der EU ab. "Der Staat, das waren und sind wir alle. Er bleibt unser ständiger Besitz. Aber auch unsere ständige Verpflichtung zum Mitmachen."
Ehrenamtliches Engagement
Mit Blick auf das ehrenamtliche Engagement, stellt Steffens fest, die Bereitschaft dazu sei noch immer bei vielen vorhanden. In Offenburg gebe es 700 ehrenamtliche Tätigkeiten mit einer enormen Bandbreite. Die Motivation dazu käme aus den Menschen selbst.
"Offenburg ist jung, dynamisch, bunt. Das wollen wir auch sein. Vielfalt ist Reichtum", leitete der Oberbürgermeister in ein weiteres Themenfeld über. Doch die Migration habe inzwischen Ausmaße erreicht, die auf Dauer von der Kommune nicht bewältigt werden könnten. "Unser Herz ist weit, unsere Möglichkeiten aber sind endlich", zitierte Steffens Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. "Solidarität ist wichtig, aber mit Augenmaß und sie darf uns nicht überfordern. Sonst schlägt die Hilfsbereitschaft in Ablehnung um", mahnte Steffens. Integration gelinge über die Sprache, aber auch durch das Vermitteln und Einhaltung von Normen und Regeln. "Hass auf Zuwandernde müssen wir daher ebenso bekämpfen, wie wir Hass von Zuwandernden nicht akzeptieren dürfen. (...) Unser Verständnis von Liberalität und Toleranz duldet keinen Hass, von wem auch und gegen wen auch immer."
Wichtig sei, die Wirtschaft weiter zu unterstützen. "Auf 1.000 Einwohner kommen 900 Arbeitsplätze", zählt Steffens auf. Offenburg sei in der Breite gut aufgestellt. "Offenburg ist Wirtschaft", betonte Steffens. Es gehe darum die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Damit leitete er zu dem Zehn-Punkte-Plan "Offenburg gestaltet Zukunft" über, der alle Handlungsfenster von Bildung bis zur Infrastruktur umfasse. Offenburg müsse attraktiv gemacht werden für gut ausgebildete Fachkräfte.
"Drei bauliche Meilensteine sollen 2024 in Angriff genommen werden", kündigte OB Steffens an. So erfolge der Startschuss für den Klinikneubau, in dem die vorbereitenden Baumaßnahmen beginnen würden. Auch das Projekt Neubau des Technologieparks Offenburg starte. Mit dem Start des zweiphasigen freiraumplanerischen Wettbewerbs für die Landesgartenschau beginne nach der Preisverleihung für den Sieger die konkrete Planung des Geländes.
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