Bilanz Ausbildungsmarkt 2023/24
"Ohne Migration sieht es düster aus"
Ortenau (gro) Der Ausbildungsmarkt im Bereich der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK) sowie der Handwerkskammer Freiburg ist im Wesentlichen stabil gegenüber den Vorjahren. Nach wie vor handelt es sich um einen Bewerbermarkt, nach wie vor blieben Ausbildungsplätze unbesetzt. Gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit in Offenburg und Freiburg wurde am Mittwoch, 6. November, die Bilanz des Ausbildungsjahres 2023/2024 gezogen. Das Fazit: Ohne Jugendliche mit Migrationshintergrund wäre es um das Thema Fachkräftenachwuchs schlecht bestellt.
Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein, stellt fest: "Die Zahlen sind o. k., der Bedarf ist wesentlich höher. Es hätten 20 bis 25 Prozent mehr Stellen über alle Branchen hinweg besetzt werden können. Das entspricht rund 5.000 Auszubildenden mehr." Tatsächlich wurden in den IHK-Unternehmen 4.504 Lehrverträge zum Stichtag 30. September 2024 abgeschlossen. Das sind 0,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 1.527 kamen in den gewerblich-technischen Berufen zustande, im kaufmännischen Bereich waren es 2.527. "Wir hatten in den Coronajahren einen massiven Einbruch", so Kaiser. Die Zahlen sind zwar gestiegen, häaben aber noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht. Bei den gewerblich-technischen Berufen gibt es Gewinner wie die Bereiche Elektrotechnik oder Nahrung und Genuss, aber auch Verlierer wie die Metalltechnik. Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im kaufmännischen Bereich ist gleich geblieben.
Mittlere Reife und Abitur
Die meisten Auszubildenden im Bereich der IHK haben einen mittleren Bildungsabschluss, der Anteil der Bewerber mit allgemeiner Hochschulreife hat zugenommen. 17,5 Prozent der Auszubildenden haben keinen deutschen Pass - durchgängig durch alle Berufsbilder. "Der Blick auf die Herkunftsländer zeigt, dass die Azubis nicht mehr aus den sogenannten Fluchtländern stammen, sondern gezielt durch die Unternehmen angeworben werden", so Kaiser. "Ohne Zuwanderung würde es düster am Ausbildungsmarkt aussehen."
Diesen Eindruck bestätigt auch Christof Burger, Präsident der Handwerkskammer Freiburg. 2024 wurden zum Stichtag 30. September 2.463 Ausbildungsverträge geschlossen. 5,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Azubis mit ausländischer Staatsangehörigkeit liegt bei 554 - rund 22,5 Prozent. Die größte Gruppe sind dabei Jugendliche, die aus der Ukraine stammten. Aber auch im Handwerk steigt die Zahl derjenigen, die im Ausland mit Blick auf den Fachkräftemangel angeworben würden.
Wolfram Seitz-Schüle, Leiter des Geschäftsbereichs Berufliche Bildung der Handwerkskammer, stellt fest, dass auch im Handwerk immer mehr Bewerber mittlere Reife oder Abitur vorweisen können. "Die Zahl der ausländischen Abschlüsse lag 2010 noch bei 5,9 Prozent, 2024 beträgt sie 15,5 Prozent." Der Anteil der weiblichen Auszubildenden im Handwerk ist zurückgegangen. In den Wachstumsbranchen, die auf Interesse bei den Jugendlichen stießen, dominieren die sogenannten Männerberufe. "Wir haben da noch Potential", stellt Seite-Schüle fest.
Auf 100 Berufsausbildungsstellen kommen in der Ortenau 83 Bewerber. Deren Zahl ist 2024 um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Zahl der bei der Agentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen ist dagegen um 8,2 Prozent gesunken. "Viele Unternehmen melden ihre freien Plätze nicht, weil sie glauben, dass sie sie nicht besetzen können", erklärt Theresia Denzer-Urschel, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenburg. Dabei gibt es auch 2024 wieder Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. "Die Stellen und die Bewerber müssen zusammenpassen", appelliert Denzer-Urschel an die Betriebe, Ausbildungsstellen zu melden. "Ausbildung ist und bleibt die relevanteste Säule der Fachkräftesicherung." Zum Stichtag 30. September waren weit über 100 Ausbildungsstellen in der Ortenau nicht vergeben, die meisten davon im Einzelhandel und bei den zahnmedizinischen Fachangestellten.
"Migration wird immer wichtiger auf dem Ausbildungsmarkt", beobachtet auch Denzer-Urschel. So hat sich die Zahl, der Bewerber, die nicht aus Deutschland stammen, verdreifacht. "Es ist uns bewusst, dass die Integration dieser Bewerber eine Anstrengung für die Betriebe und die Auszubildenden bedeutet. Es gibt Unterstützung", verspricht sie den Arbeitgebern.
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