Klinikum und Kreis schlagen Alarm
"Es ist zu wenig Geld im System"
Ortenau (mak) "Eigentlich müsste die Bevölkerung auf der Straße sein", findet Landrat Frank Scherer im Rahmen eines Pressegesprächs zur wirtschaftlichen Lage des Klinik- und Gesundheitssystems in Deutschland. Die Menschen im Land müssten um ihre Gesundheitsversorgung und ihre Arbeitsplätze fürchten. Die Kliniken seien am Limit.
Davon bleibt auch das Ortenau Klinikum nicht verschont und verzeichnet ein ordentliches Bilanzdefizit von rund 33 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Das ist viermal so viel wie im Jahr davor. Als Grund für die schlechte finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser - allein in Baden-Württemberg fehlen rund 790 Millionen Euro - macht Scherer ein "Abdriften ordnungspolitischer Voraussetzungen" verantwortlich. Für die Finanzierung eines Klinikbetriebes sei der Bund zuständig, für Investitionen das Land, mahnt der Landrat an. Die Landkreise seien hierfür eigentlich nicht in der Pflicht. "Wir müssen Aufgaben von anderen erledigen. Das ist ein Schlag ins Kontor unserer Finanzhoheit", ärgert er sich. Man werde alles tun, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Es werde keine Insolvenz des Ortenau Klinikums eintreten, da es in öffentlicher Trägerschaft sei. Aber es werde eine "kalte Marktbereinigung" geben, ist sich Scherer sicher. "Es wird in Kauf genommen, dass Krankenhäuser sterben." Die Krankenhäuser befänden sich auf der Intensivstation.
Kreisumlage steigt
Mit der Übernahme der Klinikbetriebskosten übernehme der Kreis Aufgaben und damit auch Defizite des Bundes, mahnt Scherer. "Das trifft den Kreis hart, der in den vergangenen Jahren 48 Millionen Euro Schulden abgebaut hat. Das ärgert mich maßlos", so Scherer. Das wiederum habe Auswirkungen auf die Kreisumlage, die den Ortenaukreis mit dem Geld der Städte und Gemeinden finanziert, und am Ende steigen wird. Am Ende bedeute dies, dass weniger Geld für Schulen, Kitas und Infrastruktur da sei.
Klinikchef Christian Keller machte deutlich, dass in den vergangenen Jahren die Schere von Kosten auf der einen Seite und Erlösen auf der anderen Seite immer weiter aufgegangen sei. "Das Defizit wäre noch 14 Millionen Euro größer, wenn wir die Kliniken in Oberkirch, Gengenbach und Ettenheim nicht geschlossen hätten", ist er sich sicher. Für Keller und Scherer ist dies unter anderem ein Beleg dafür, dass die Agenda 2030 die richtige Entscheidung gewesen sei. Die Klinikneubauten in Offenburg, Achern und Lahr und der Erhalt von Wolfach seien richtig, betonte Keller. Denn nicht die Investitionen, die über Kredite finanziert würden, seien das Problem, sondern die Betriebskosten, die so nicht gedeckt werden könnten.
Es werde aber Nachjustierungen beim Leistungsspektrum geben. Das bedeute, dass sich das Ortenau Klinikum bei seinem medizinischen Angebot in Zukunft noch stärker mit den umliegenden Kliniken in Baden-Baden und Freiburg abstimmen werde. Dabei gehe es auch um steigende Mindestmengen an Eingriffen, die ein Krankenhaus vornehmen muss, um sie überhaupt vornehmen zu dürfen. "Wenn wir untereinander nicht abstimmen, wer sie macht, macht sie am Ende gar keiner", so Keller.
Einig waren sich Keller und Scherer, dass die Notfallversorgung funktionieren müsse und ein Modell entwickelt werden müsse, wie in der Gesamtregion die medizinische Versorgung optimal abgedeckt werden könne. Die Zeit dränge. "Wenn es noch lange dauert mit dem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers wird es düster", so Scherer, der vom Bund eine sofortige Erhöhung der Krankenhausfinanzierung von mindestens vier Prozent forderte. Ebenso forderte er ein Vorschaltgesetz zur finanziellen Steuerung des Reformprozesses sowie die Kompensierung von hohen Personal- und Sachkosten. "Es ist insgesamt zu wenig Geld im System", so der Landrat abschließend.
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