Gewerbegebiet statt Flugplatz?
Entscheidung auf 30. Januar verschoben
Offenburg (gro) Wird Offenburg weiterhin einen Sonderlandeplatz haben oder entstehen stattdessen Gewerbeflächen? Diese Frage wurde am Montagabend, 16. Januar, im Haupt- und Bauausschuss nicht beantwortet. Denn nachdem sich keine Mehrheit für den Vorschlag der Verwaltung zur Schließung des Flugplatzes abzeichnete und vor allen Dingen Grünen-Stadtrat Ingo Eisenbeiß leidenschaftlich und unterstützt von anderen Fraktionen für eine Vertagung und eine Klausur geworben hatte, wurde die Abstimmung in die Sitzung des Gemeinderats am 30. Januar 2023 verlegt.
Zuvor hatte die Verwaltung noch einmal kurz die Sachlage dargestellt: Die Stadt hat kaum noch freie Gewerbeflächen. Bereits 2018 gab es den Auftrag eine Bestandsaufnahme zu machen. Das Resultat: Selbst ortsansässigen Unternehmen könne kein adäquates Angebot mehr gemacht werden. In einer Potentialanalyse, deren Ergebnis 2022 vorgestellt wurde, wurden 17 potentielle Flächen untersucht. Das Ergebnis: Nur die Flächen im Gewerbepark Raum Offenburg beim Flugplatz Offenburg eignen sich.
Drei Varianten
Es wurden drei mögliche Varianten erarbeitet: Der Flugbetrieb auf dem Sonderlandeplatz mit der 1.150 Meter langen Asphaltlandebahn bleibt bestehen. Dann stehen für mögliche Unternehmensansiedlungen lediglich 10,7 Hektar auf nicht gut geschnittenen Grundstücken zur Verfügung. Durch die Start- und Landeflüge ergibt sich außerdem eine Einschränkung bei der Bauhöhe. Würde - wie in der Variante 2 - die Landebahn auf 700 Meter verkürzt, erhöht sich das Flächenangebot auf 16,7 Hektar - allerdings bleiben die Bauhöhen weiter beschränkt. Die Variante 3 sieht eine Schließung des Flugplatzes und die Nutzung der gesamten Fläche vor. Die Fliegergruppe Offenburg, die den Flugplatz für Motor- und Segelflug nutzt, hat die Variante 4 ins Spiel gebracht, bei der die Landebahn in ihrer Gänze erhalten bleibt, allerdings die Schwellen im Norden am Ende zurückverlegt werden, so dass die Flieger früher abheben müssen. Damit stünden 14,6 Hektar - immer noch ungünstig geschnitten - zur Verfügung. Die Bauhöhe für künftige Gebäude bleibt eingeschränkt.
Der Beschlussvorschlag der Stadt ist eindeutig: Der Flugplatz soll aufgegeben werden, die gesamte Fläche in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden. Es soll ein Rahmenkonzept für den gesamten Bereich zwischen B3, Südring und Rheintalbahn Offenburg erstellt werden. Auf der Gemarkung Offenburg soll ein erste Entwicklungsabschnitt konzipiert werden. Ergänzt wurde der Beschlussvorschlag durch zwei weitere Punkte: Der eine soll deutlich machen, dass ein gut durchgrüntes und ökologisch hochwertiges Gewebegebiet entstehen soll. Im zweiten stellt die Stadt klar, dass sie bei der Diskussion um Trassenvarianten für den möglichen Südzubringer zur Autobahn diejenige bevorzugt, die nicht durch den Stadtwald führt, sondern die am weitesten südlich gelegene Variante V3.
Informationen fehlen
Der Vorschlag wurde kontrovers diskutiert: Die Grünen wünschen sich weitere Informationen vor der Entscheidung. Zum einen, so Ingo Eisenbeiß, sei bislang kein Wort darüber, wie groß der tatsächliche Bedarf der Unternehmen sein, verloren worden. Außerdem sei nicht festgelegt worden, dass nur heimische Unternehmen sich dort ansiedeln können. "Offenburg bietet 50.000 Arbeitsplätze, allerdings gibt es über 30.000 Einpendler in die Stadt", so Eisenbeiß. Dies sei eine Quote im Verhältnis zur Einwohnerzahl von über 50 Prozent. "Nur Frankfurt toppt diesen Wert", so der Stadtrat. Es seien keine Standards in puncto ökologische Anforderungen festgelegt worden. Zudem fürchten die Grünen, dass durch die Umwandlung in ein Gewerbegebiet, die Trassenvarianten für den Südzubringer, die deutlich näher an Albersbösch und Hildboltsweier liegen, höhe Chancen haben. Eisenbeiß plädierte dafür, erst nach einer Klausur, bei deralle Informationen vorliegen sollten, abgestimmt werden soll.
Werner Maier, Fraktionschef der CDU, stellte fest, dass es sich um ein zukunftsweisendes Thema für die Stadt handele. Für die CDU sei eine wirtschaftsorientierte Politik wichtig und richtig. Für die Fliegergruppe gebe es Ausweichmöglichkeiten in der Region, um ihren Sport weiter zu betreiben. Eine mögliche gewerbliche fliegerische Nutzung stehe nicht im Vordergrund, da der Flugplatz Lahr bessere Möglichkeiten biete. Es seien bereits Vorentscheidungen für Gewerbeansiedlungen in der Vergangenheit getroffen worden, die Nachfrage nach Flächen für Unternehmen sei da. "Es liegt in unserer Hand, welche Ansiedlungen wir zulassen und welche nicht", machte Maier deutlich. Das Gleiche gelte für Anforderungen für den Erhalt von Freiflächen oder die Ökologie. Die CDU-Fraktion stimme mehrheitlich zu.
Harte Entscheidung
"Wir sind ein Oberzentrum und ein stark wachsender Standort", führte Stefan Konprecht für die Freien Wähler aus. Zwei Herzen schlügen in seiner Brust: Zum einen habe der Flugplatz eine lange Tradition, die Fliegergruppe bringe ein hohes ehrenamtliches Engagement auf. Zum anderen sei ein neues Gewerbegebiet dringend notwendig. Offenburg habe nur eine Option. "Wir müssen eine harte Entscheidung treffen, das fällt uns nicht leicht", so Konprecht. Die Stadt müsse ortsansässigen Unternehmen Möglichkeiten zur Erweiterung bieten. "Einen zweiten Fall Kirsch darf es nicht geben", so der Sprecher der Freien Wähler. Die Fraktion bevorzuge eine lang anhaltende Lösung, dies sei die Alternative drei, die vollständige Umwandlung in ein Gewerbegebiet.
Martina Bregler, SPD, stellte fest, dass ihre Fraktion zwischen Südzubringer, Sonderlandeplatz und Gewerbeflächen trenne. Sie forderte Stadtverwaltung und Gemeinderat auf, eine Resolution zu verabschieden, in der die Stadt die durch den Stadtwald führenden Trassen des möglichen Südzubringers, ablehne und sich für die V3 als alleinig mögliche ausspreche. Aus klimapolitischen Gründe lehne die Fraktion die Weiterführung des Flugplatzes ab. Die Stadt brauche die Flächen für ein Gewerbegebiet, allerdings erwarte die Partei einen hohen ökologischen Standard.
Naherholungsgebiet
Thomas Bauknecht von der FDP betonte, die Fraktion sei nicht gegen die Entstehung eines Gewerbegebiets, aber man müsse über das wie reden. Die FDP sage ja zur Ausweisung neuer Flächen für ortsansässige Unternehmen, auf keinen Fall solle das neue Gewerbegebiet einen Verlauf wie der Kinzigpark in Gengenbach nehmen, den Bauknecht als negatives Beispiel anführte. "Es geht nicht um den Flugplatz, sondern um ein wertvolles Naherholungsgebiet", machte Bauknecht deutlich. Noch würden für eine Entscheidung nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, auch die FDP-Fraktion wünscht Daten darüber, wie hoch der tatsächliche Bedarf derzeit ist. Zudem gelte es, durch die vorzeitige Schließung des Flughafens dem Regierungspräsidium bei der Diskussion um die unterschiedlichen Trassenverläufe für den Südzubringer keine Argumente für die Varianten auf Offenburger Gemarkung zu liefern. Die FDP werde nicht zustimmen.
"Wir sind nicht gegen den Gewerbepark, aber müssen wir wirklich etwas vom Zaun brechen", fragte AfD-Stadtrat Taras Maygutiak. Für ihn steht die Trassenführung des Südzubringers im Mittelpunkt bei der Frage, ob der Flugplatz jetzt schon aufgegeben werden solle oder nicht. "Ein Gewerbegebiet kann Trassenvarianten, die wir nicht wünschen, attraktiver machen", mahnte er. Die AfD unterstütze den Antrag auf Vertagung der Grünen.
Auch Florence Wetzel, Offenburger Liste, kündigte an, gegen den Beschlussvorschlag zu stimmen, da nicht genug Informationen über den tatsächlichen Bedarf zur Verfügung stünden. Roland Köhler, Sprecher der Offenburger Bürgergemeinschaften: "Die Aussicht auf weitere Gewerbesteuereinnahmen ist verlockend, aber wir sollten Flora und Fauna nicht aus den Augen verlieren." Die Bürgergemeinschaften lehnen das Projekt ab.
Planungshorizont für Unternehmen
Oberbürgermeister Marco Steffens warb eindringlich für das Gewerbegebiet und einen positiven Beschluss: "Die Unternehmen brauchen eine Zeitachse, auf der sie Pläne machen können. Die Stadt konnte bislang noch reagieren." Er machte ebenfalls deutlich, dass die Unternehmen, die Bedarf angemeldet hätten, Wert auf äußerste Diskretion legten. Für ihn gehe es in erster Linie um Bestandspflege, der Zweckverband Hoch 3 biete dafür die Möglichkeiten.
Nach einigem Hin und Her wurde die Sitzung für zehn Minuten unterbrochen, in denen OB und Stadträte intensiv diskutierten. Dann fiel die Entscheidung, die Abstimmung in den Gemeinderat zu verlegen.
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