Unterwegs im Nationalpark Hunsrück
Borkenkäfer sorgt für wildes Tempo

Schritt für Schritt überlässt man hier die Natur sich selbst: Was dabei alles passiert und was ein Nationalpark auszeichnet, erklären Ranger wie Oliver Groß auf regelmäßigen Besucher-Führungen.  | Foto: Daniel Basler
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  • Schritt für Schritt überlässt man hier die Natur sich selbst: Was dabei alles passiert und was ein Nationalpark auszeichnet, erklären Ranger wie Oliver Groß auf regelmäßigen Besucher-Führungen.
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Wie schafft man es, Wildnis neu zu erschaffen? In Deutschlands jüngstem Nationalpark im Hunsrück-Hochwald geht’s damit flott voran. Was es mit der ökologischen Dynamik auf sich hat, vermitteln kurzweilige Ranger-Touren – und noch vieles mehr.

Nicht immer ist High-Tech-Gerät vonnöten, um so manchen Vorgängen in der Welt auf die Schliche zu kommen: „Alle Kilometer steht ein mit Baldrian-Essenz besprühter Holzpflock“, zeigt Oliver Groß kniend auf die Stelle, wo die ungewöhnliche Ermittlungsmethode ein kaum sichtbares Ergebnis hinterlässt, von dem sich der Ranger ein Quäntchen in seine Hand streicht.

Wie ein Dutzend hauchdünner, gräulicher Haare an einen Pfosten gelangen und das mitten in einer fast nur von stillen Wäldern dominierten Gegend, dazu liefert der Ranger eine verblüffende Erklärung. „Was Menschen beruhigt, erweist sich bei anderen Lebewesen als wirkungsvolles Lockmittel“, kommt er zum Punkt und enthüllt lächelnd.

„Es ist wohl so, dass Katzen auf den Geruch der Wurzel der Pflanze stehen, ihn als Sexualduftstoff auffassen und sich deshalb gezielt an den Lockstöcken reiben und dabei ein bisschen ihres Fells hinterlassen“, betont der Guide die Funktion der simplen „Zählapparatur“.
Naturschutz-Statistiker können so aus den eingesammelten Haar-Proben durch ein Monitoring-Verfahren errechnen, erklärt er weiter, wie viele Wildtiere in einem bestimmten Areal leben. Auf eine konstante Population von 100 Wildkatzen kommt man im Jahr 2015 gegründeten Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Zwar zeige sich die besonders geschützte Art äußerst selten, da sie nachtaktiv ist, dennoch bringen Ranger wie Oliver Groß auf Streifzügen durch das 100 Quadratkilometer große Territorium den Besuchern lebendig die sich bildenden dynamischen Prozesse strukturreicher Lebensräume nahe.

Dass es im sechzehnten und damit jüngsten Nationalpark Deutschlands, wovon 90 Prozent in Rheinland-Pfalz und etwa 10 Prozent im Saarland liegen, derart gut läuft mit dem Wildnis-Schub, verdankt sich geradewegs einem Schädling. „Trockene Sommer der letzten Jahre ließen den Borkenkäfer explodieren, der den Fichten-Bestand merklich reduzierte. Sein Ausbreiten an den Parkrändern begrenzen wir durch das Fällen und den Abtransport befallener Bäume, während abgestorbene Fichten verbleiben, was zur Entfaltung natürlicher Ökosysteme mit beiträgt“, freut sich der ausgebildete Förster, der in der Gegend aufgewachsen ist, über das Tempo beim gelenkten Naturumbau.
Halte diese Entwicklung so an, wären bereits 2030 (anstatt 2045) gut achtzig Prozent Wildnis-Zonen im Park für seltene Arten wie Fledermäuse, Sperlingskauz, Baummarder & Co. geschaffen. „Alles ging schneller als gedacht und dass alles im Vormarsch ist und vieles passiere, ist ein Ausweis dafür, dass der sich selbst überlassene Wald auf spannende Weise es schafft, eine überbordende Artenvielfalt zu entfesseln und das direkt vor unseren Augen.“

Es seien genau diese Aspekte, für die er und seine über 20 Ranger-Kollegen bei den Gästen bei einer Führung durch den Urwald von morgen den Blick schärfen wollen, worauf auch das ganzjährige Veranstaltungsprogramm seinen Fokus legt. „Die Umwelt-, Bildungs- und Erlebnisangebote sprechen Botaniker, Vogelkundler, Familien bis zu sportlichen Urlaubern und Schulklassen an“, betont er das Engagement der Parkverwaltung, dieses faszinierend wilde Stück Deutschland am Fuße des Erbeskopf, dem höchsten Gipfel des Landstrichs zwischen Mosel und Rhein, für ein breites Reise-Publikum populär zu machen.
Gute Argumente gäbe es genug dafür, zählt der 50-Jährige am Ende der leichtfüßigen Tour, die über halb zugewachsene Wege, Arnikawiesen, entlang Reihen moosbewachsener Baumstümpfe und renaturierter Hangmoore führt, auf: viel frische Luft, naturnahe Erholung, keine lange Anreise, jede Menge Spaß und gemeinsame Abenteuer. „Man müsse sich nur aufmachen, einlassen auf ein Natur-Laboratorium voller Wunder, das uns beibringen kann, dass wir als Menschen existenziell mit der Natur verflochten sind.“

Text/Fotos: Daniel Basler

ZUM NATIONALPARK:
Gemeinsam mit dem Naturpark Saar-Hunsrück bildet der Nationalpark Hunsrück-Hochwald (Fläche 10 000 Hektar, damit so groß wie der Nationalpark Schwarzwald) im Herzen von Rheinland-Pfalz eine Modellregion für nachhaltigen Tourismus. Er gilt in Forscher-Kreisen als eine der wenigen Hot-Spot-Regionen biologischer Vielfalt in Deutschland und als das Freilandlabor für naturdynamische Prozesse – auch und gerade in Zeiten des Klimawandels.
Der Park fügt sich harmonisch in die weitläufige Naturlandschaft ein, die eine spannende römische Vorgeschichte aufweist, und ist von mehreren Stellen zugänglich und kann auf Rundwanderungen, per Rad oder bei geführten Pferde-Touren erkundet werden. All dies wird ergänzt durch ein breitgefächertes und barrierefreies Program, das sich an alle Generationen richtet.
Info-Adresse:
Nationalparkamt Hunsrück-Hochwald, Brückener Straße 24, 55765 Birkenfeld, Mailkontakt:
poststelle@nlphh.de

Am Nationalpark-Tor Erbeskopf informiert ein modern konzipiertes Besucherzentrum mit interaktiver Ausstellung über alle wichtigen Themen und Fragen rund um den Urwald von morgen. Im regulären Betrieb gehen hier täglich (außer montags) Ranger-Touren los. Es soll künftig weitere Einstiegstore in den Park geben.
Vom Hauptbahnhof Trier ist der Park mit der Buslinie 328 umweltfreundlich gut zu erreichen.

Kontakt Nationalpark: E-Mail: info@hunsrueckhaus.de
Internet: www.hunsrueckhaus.de
Auskünfte zur Region unter www.hunsruecktouristik.de

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