Gewölberkeller aus dem Mittelalter
Die Offenburger Unterwelt
Offenburg (tf). Offenburg ist nicht nur oberirdisch immer einen Besuch wert, auch unter dem Pflaster finden sich uralte Schätze. Über 130 historische Gewölbekeller, die überwiegend aus dem Mittelalter stammen, haben den Stadtbrand von 1689 überstanden.
Viele Meter tief unter den Straßen, oft nur über mehrere Treppen zu erreichen, dienten sie einst als Vorrats- und Fluchträume. So befindet sich direkt unter den Pagoden und dem Kriegerdenkmal in der Hauptstraße das Tonnengewölbe, in dem vor gut 500 Jahren die Vorräte der Stadt lagerten. Hatte sich ein Bürger verkalkuliert oder verdarben seine Vorräte, so konnte er vom Wintervorrat der Stadt etwas zu sozialen Preisen erwerben. Im Zuge der Einrichtung der Fußgängerzone 1986 wurde der Keller, welcher wohl zum Ende des 19. Jahrhunderts verschlossen worden war, wiederentdeckt.
Ein weiterer spannender Keller befindet sich unter dem Gebäude des Gemeindehauses der Neuapostolischen Gemeinde in der Glaserstraße. Hier fand man unter den mittelalterlichen Kellern Gänge aus dem beginnenden 19. Jahrhundert und noch immer ist man nicht an der Talsohle der Tunnel angekommen.
Hochinteressant ist ein Besuch im Gewölbekeller unter dem Vinzentiushaus in der Prädikaturstraße. Wer dort in die Tiefe steigt, trifft auf Zeugnisse des 30-Jährigen Krieges. Denn dort befindet sich eine Kanonenkugel, die damals in den Keller eingeschlagen ist. Sie wurde später als Erinnerung in die Mauer eingesetzt.
Doch die Offenburger Gewölbekeller dienten nicht nur der Vorratshaltung in vergangenen Zeiten. Im Belagerungsfall zog sich die Bevölkerung in die Keller zurück und konnte über notdürftig zugeschüttete Verbindungsgänge zum Nebenkeller gelangen. An den Eingängen lehnten Hacke und Schaufel, mit deren Hilfe man sich den Weg frei machte. Auf diese Art konnten die Bürger in die Keller gelangen, die einen Fluchttunnel durch die Stadtmauer besaßen. Einer dieser noch vorhandenen Fluchttunnel wurde 1992 im Hause der Familie Kanzler am Offenburger Stadtbuckel von Schülern der Archäologie-AG des Grimmelshausen-Gymnasium unter Anleitung von Dr. Manfred Merker gefunden. Seither wurden dort unzählige Scherben, Knochen, Haushaltsgegenstände und sogar ein Brunnen ausgegraben. Das Alter eines im Keller eingebauten Eichenbalkens konnte auf das Jahr 1510 datiert werden.
Wer einmal in die Offenburger Unterwelt hinabsteigen möchte, bei einer öffentlichen, kostenfreien Stadtführung können zudem noch weitere Keller, wie beispielsweise der Hospitalkeller des St.-Andreas-Stiftes, besichtigt werden. Termine und Informationen sind auf der Homepage des Museum im Ritterhaus unter www.museum-offenburg.de zu finden.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.