An(ge)dacht
Fußball ist für viele wie eine Religion

Roland Kusterer | Foto: privat

Auch diejenigen, die sich nicht für Fußball interessieren, werden es sicherlich mitbekommen: Es fahren wieder viele Autos mit Fähnchen auf dem Dach durch die Gegend. Ende dieser Woche beginnt die Fußballweltmeisterschaft. Mit Beginn des Turniers in Russland bestimmt der Fußball das gesellschaftliche Leben – ob man das nun will und sogar schön findet oder nicht.

Und dass da sogar Gott mitspielt, das ist manchmal nicht zu übersehen: Da kommen Fußballer zum Spielbeginn auf den Platz gelaufen und machen erst mal ein Kreuzzeichen oder halten kurz inne für ein stilles Gebet. Oder sie schauen nachdem sie ein Tor erzielt haben erstmal nach oben und bekreuzigen sich. Offensichtlich sehen diese Fußballspieler eine Verbindung zwischen ihrem Spiel und ihrem Glauben. Und nachlesen kann man solchen Fußballer-Glauben in vielen Tätowierungen auf der Haut von Fußballern, die voll sind von Glaubensbekenntnissen. Wer darauf achtet, sieht ziemlich viel Glauben auf dem Fußballplatz.

Und rund herum erst recht: Was die Zuschauer auf den Tribünen inszenieren, läuft ab wie ein Gottesdienst. Da gibt es bestimmte Lieder und Rituale: Manchmal muss man aufstehen und danach darf man sich wieder hinsetzen und vorne steht eine Art Vorbeter mit Megafon oder Trommel, der vormacht, was die anderen schreien, singen oder machen müssen. Kinder dürfen übrigens auch mit ins Stadion. Viele Eltern sind sehr stolz und freuen sich, wenn ihr Kind mit ihnen jubelt.

Wenn es denn etwas zum Jubeln gibt, denn manchmal ist der "Fußball-Gott" ja auch schlecht gelaunt. Dann gewinnen nämlich die anderen oder haben zumindest die besseren Chancen.

Ob es wirklich einen „Fußball-Gott“ gibt? Natürlich nicht, das weiß nun wirklich jeder. Aber man sagt es eben so – und glaubt heimlich doch daran, fast wie im richtigen Leben. Bezahlen muss man für die Fußball-Religion ja auch – und das nicht zu knapp. Denn für Eintrittskarte, Currywurst, Getränk, T-Shirt und Fan-Schal kommt einiges zusammen. Aber man will sich ja den Spaß nicht verderben, erst recht nicht, wenn man selber aktiv spielt und dafür auch regelmäßig trainiert. Das ist wie jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen: Wer regelmäßig dabei ist, hat mehr davon.

Fußball ist für viele so etwas wie Religion: die wichtigste Nebensache der Welt. Denn eigentlich geht es im Leben ja nicht um Tore oder Gott, sondern um unser Lebensglück und unsere Welt. Stimmt doch, oder? Und vielleicht ist es gar nicht so abwegig: Kann Gott vielleicht nicht auch im Fußball wie bei allem in der Welt und in meinem Leben eine entscheidende Rolle spielen?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Pfarrer Roland Kusterer, Oberkirch

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