Klimaneutraler Strom
Führend bei Verwertung der Brennereirückstände
Oberkirch (st). Durch seine 796 ansässigen Brennereien gilt Oberkirch als Europas heimliche Hauptstadt der Schnapsbrenner. Die beim Brennprozess anfallende Schlempe wird in der Oberkircher Kläranlage für eine effizientere Biogaserzeugung und Stromproduktion genutzt. Eine in diesem Umfang landesweit einmalige Nutzung der Brennschlempe.
Ein leichter Alkoholgeruch liegt über dem Anlieferungsbereich für die Schlempe auf dem Gelände der Oberkircher Kläranlage. „Während der Hauptbrennzeit von Oktober bis März wird täglich Schlempe von den Brennern angeliefert“, weiß Johannes Schulz, Leiter der Oberkircher Kläranlage zu berichten. „Aus Gründen der Betriebssicherheit der Anlage können aber maximal 25.000 Liter pro Tag abgenommen werden.“ Denn das Verhältnis von Brennschlempe zu Rohschlamm muss stimmen. Ansonsten kommt es durch eine Überdosierung der sauren Brennschlempe zu einem Absterben der für den Faulprozess zwingend notwendigen Methanbakterien. Ohne diese Bakterien kann aber im Faulturm nicht der Prozess einer kontrollierten Faulgasproduktion ablaufen. „Die eigentlich durch die Zusetzung der Brennschlempe gesteigerte Biogasproduktion würde so in ihr Gegenteil umgekehrt“, ergänzt Klemens Hirt, der als stellvertretender Leiter der Kläranlage ebenfalls den Betrieb der Anlage betreut.
Großes Engagement für nachhaltige Nutzung
Als Brennschlempe werden umgangssprachlich die Rückstände – Schale, Fruchtfleisch und Kerne – des Brennvorgangs bezeichnet. Bis in die 1970er Jahre wurde die Schlempe teils in die Abwasserkanäle eingeleitet oder mit Kalk abgebunden auf die Felder aufgetragen. Die Entsorgung in Gewässern oder der Kanalisation war schon damals illegal. Nach einer Kalkzugabe hat die Schlempe eine düngende Wirkung, wenn sie auf Äckern aufgebracht wird. Doch nur ein Teil der anfallenden Schlempe wurde so genutzt. „Um Natur und Umwelt zu schützen, war daher bereits damals die Anlieferung von Brennschlempe auf der städtischen Kläranlage möglich“, erläutert Johannes Schulz die Hintergründe. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Brenner aber noch für die Annahme auf der Kläranlage etwas zahlen. Ein Aufbringen auf die Felder ohne vorhergehende Kalkzugabe hatte durch den niedrigen pH-Wert der Schlempe eine Versauerung der Böden begünstigt. Ein Effekt, der aus Naturschutzgründen auch nicht gewünscht war. „Aus Gründen des Umweltschutzes entschloss sich die Stadt Oberkirch 1985, kein Entgelt mehr für die Abnahme der Schlempe von den Brennern zu verlangen“, erinnert sich Klemens Hirt. Infolge der nun kostenlosen Entsorgungsmöglichkeit stieg die angelieferte Mende der Brennschlempe um rund das Vierfache an. Als organisches Co-Substrat sorgt die Schlempe nun beim Faulprozess für eine höhere Gasbildung. „Dies ist aber nur der Fall, wenn die angelieferte Schlempe möglichst frisch ist“, erläutert Johannes Schulz. Maximal vier Wochen dürfe sie alt sein. Mit Blick auf das richtige Mischungsverhältnis mit dem Rohschlamm im Faulturm, können deshalb nicht mehr als 25.000 Liter am Tag angenommen werden. „Daher ist es immer gut, wenn sich die Brenner bereits vor der Anmeldung des Brenntermins nach einem Anlieferungstermin erkundigen“, betonen die beiden Mitarbeiter der Kläranlage unisono. Wartezeiten von bis zu vier Wochen bis zum Abgabetermin seien in der Brennsaison keine Seltenheit.
Klimaneutrale Stromerzeugung
Das so erzeugte Biogas wird aber nicht einfach am Ende des Faulprozesses abgefackelt. „Durch den Betrieb von zwei Blockheizkraftwerken wird das Gas für die Stromerzeugung genutzt.“ Die Oberkircher Kläranlage kann sich so zu über 70 Prozent mit eigenem Strom versorgen. „Strom, der klimaneutral erzeugt wird, und vielleicht nicht aus einem Kohle- oder Kernkraftwerk stammt, ist sicherlich die beste Lösung für die Umwelt“, ist Johannes Schulz überzeugt. Ganz aus dem Blick darf dabei nicht der erhöhte Aufwand für den Betrieb der Anlage geraten. „Die Schlempenannahme erzeugt auch Kosten, die sonst nicht für den Betrieb der Kläranlage anfielen“, schildert Klemens Hirt. Rund 30.000 Euro werden im Jahr etwa für die Technik, Betriebsmittel und Entsorgung der übriggebliebenen Obststeine fällig. „Aber mit dieser Nutzung der Schlempe leistet die Stadt auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz“, sind sich die beiden sicher. Die verbliebenen Obststeine werden übrigens nicht einfach auf die Deponie gekippt, sondern als Bestandteil in einem Biomassekraftwerk in Kehl für die Strom- und Wärmeerzeugung verwendet. Die Stadt Oberkirch unternimmt somit viel, um umweltschonend den Brennrückstand Schlempe für die klimafreundliche Stromerzeugung zu nutzen.
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