Herausforderung für die Erdbeerbetriebe
Erzeuger erwarten 11.000 Tonnen

Die Erdbeerernte im Land wurde offiziell durch die baden-württembergische Erdbeerkönigin Anne Obrecht vollzogen. Begleitet wurde sie auf dem Renchtäler Obsthof Distelzweig von Oberkirchs OB Matthias Braun und vom Geschäftsführenden Vorstand Marcelino Expósito (links). | Foto: suwa
  • Die Erdbeerernte im Land wurde offiziell durch die baden-württembergische Erdbeerkönigin Anne Obrecht vollzogen. Begleitet wurde sie auf dem Renchtäler Obsthof Distelzweig von Oberkirchs OB Matthias Braun und vom Geschäftsführenden Vorstand Marcelino Expósito (links).
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Oberkirch (st). Der offizielle Start der Erdbeersaison 2020 wurde von der Baden-Württembergischen Erdbeerkönigin Anne Obrecht im Erzeugerbetrieb von Franz-Xaver Distelzweig in Oberkirch-Nußbach begleitet. Eine erste Erdbeer-Anlieferung erfolgte am Obstgroßmarkt Mittelbaden bereits am 7. April. Dies ist somit der früheste Saisonstart seit Beginn der Erdbeerproduktion im Folientunnel in Mittelbaden.

Aktuell wird Ware vor allem im geschützten Folientunnel geerntet. Doch nun wurden auch die ersten Freilanderdbeeren aus verfrühter Kultur (Abdeckung mit Folie und Vlies) angeliefert, auch so früh wie nie bisher. „Die Haupternte im Freiland wird um den 15. Mai erwartet und bis in die erste Juniwoche hineinreichen“, erläuterte der Geschäftsführende Vorstand Marcelino Expósito.

Aufgrund der klimatisch begünstigten Region und spezieller Anbautechniken zur Ernteverfrühung, gehören die badischen-württembergischen Erdbeererzeuger zu den frühesten in Deutschland. Eine frühzeitige Entwicklung der Pflanzen und Blüten bedeutet aber auch immer wieder eine größere Gefahr durch Frostereignisse. Auch dieses Jahr hat wieder deutlich unterstrichen, dass Anbaurisiko und die Anforderungen an die Produktion aufgrund des Klimawandels weiter zunehmen. Arbeitsaufwand und Investitionsvolumen in den geschützten Anbau steigen stetig, hieß es seitens des Obstgroßmarktes.

Nur begrenzte Frostschäden

In der Saison 2020 bereitete insbesondere der Wintereinbruch zwischen dem 22. März und 6. April mit lang andauerndem eisigem Ostwind und Temperaturen mit bis minus sieben Grad den Erzeugern schlaflose Nächte. In zehn Nächten mussten die Erdbeerbestände durch Abdeckung mit Vlies und Folie oder durch Frostberegnung geschützt werden. So konnte in erster Linie in den Erdbeertunneln Schäden verhindert werden, was die klimatisch bedingte Notwendigkeit des geschützten Anbaus auch in dieser Saison deutlich unterstreicht. In den geschützten Freilandbeständen wurden bereits offene Blüten der Frühsorten teilweise geschädigt, der Schaden wird aktuell aber als begrenzt bewertet.

Verfügbarkeit von Saisonkräften

Die größte Herausforderung in 2020 stellt für die Erdbeerbetriebe die schwierige Situation der Verfügbarkeit von osteuropäischen Saisonarbeitskräften aufgrund der Corona-Pandemie dar. In den vergangenen zwei Wochen wurden fast täglich die Einreiseregularien für Saisonarbeitskräfte aus Deutschland geändert. Vom Einreisestopp auf dem Landweg, über länderspezifische Ausreisebeschränkungen bis zum vollumfassenden Einreisestopp reichte der Spannungsbogen.

Aufgrund des verhängten Einreisestopps und der Gefahr eines enormen Ernteverlustes wurden Plattformen zur Gewinnung regionaler Erntehelfer, wie zum Beispiel „daslandhilft“ oder genossenschaftseigene Initiativen wie „ERNTERETTERortenau“ ins Leben gerufen. In der Zwischenzeit sind bei den Erdbeerbetrieben in Tunneln bereits regionale Erntehelfer im Einsatz

Nach intensiven Gesprächen der Berufsverbände und Genossenschaften mit der Bundesregierung wurde für April und Mai die Einreise per Flugzeug von jeweils 40.000 Saisonarbeitskräften unter strengen Hygieneauflagen genehmigt, ein enorm wichtiger Schritt für die Betriebe. Hierbei ist es aus Sicht der Erzeugerorganisationen dem Innenministerium und dem Landwirtschaftsministerium gelungen, im Sinne der systemrelevanten Landwirtschaft in schwierigen Zeiten einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Somit konnte sich die Situation für die Erzeugerbetriebe deutlich entspannen.

Rund 11.000 Tonnen Erdbeeren

Die baden-württembergischen Erzeugerorganisationen erwarten trotz leichter Frostschäden mit 11.000 Tonnen eine gute Ernte mit guter Qualität. Der Obstgroßmarkt Mittelbaden rechnet mit rund 4.000 Tonnen Erdbeeren.

Die gesamte deutsche Erdbeerproduktion lag im vergangenen Jahr 2019 bei 143.000 Tonnen (2018 waren es 142.000 Tonnen). Die Erdbeeranbaufläche in Deutschland in 2019 betrug 13.200 Hektar. Davon sind 11.600 Hektar Freilandfläche und 1.600 Hektar Fläche im geschützten Anbau (Folientunnel, Gewächshaus). Baden-Württemberg rangierte mit 2.244 Hektar zum wiederholten Mal auf Platz drei, hinter Niedersachsen mit 2.834 Hektar und Nordrhein-Westfalen mit 2.671 Hektar.

In Deutschland ist ein Rückgang der Erdbeeranbauflächen im Freiland zu verzeichnen. Der Rückgang bei der Freilandfläche 2019 im Vergleich zum Vorjahr betrug 800 Hektar. Die Gründe für den Rückgang der Freilandfläche sind vielfältig. Viele Betriebe kämpfen mit permanent steigenden Lohnkosten und rechtlichen Anforderungen, großem Preisdruck aufgrund internationaler Verfügbarkeit oder mit schwierigen Witterungsbedingungen, wie zum Beispiel Starkregen im Mai 2019 während der Haupternte.

Nachhaltigkeit und Regionalität

Um Ernteverfrühung zu erzielen und Witterungseinflüssen zu trotzen, setzen die baden-württembergischen Erdbeererzeuger verstärkt auf geschützten Anbau im Folientunnel (zirka 380 Hektar). Auch zeichnen sich regionale Erdbeeren durch kurze Transportwege aus.

Nachhaltigkeit und Regionalität spielen in diesem Zusammenhang nach wie vor eine wichtige Rolle beim Endverbraucher. Insbesondere in dieser Saison, mit sehr schwierigen Rahmenbedingungen und höheren Erntekosten, zum Beispiel durch die Anreise der Erntehelfer per Flugzeug, hoffen die Erzeuger auf ein positives Einkaufsverhalten der Verbraucher zur Sicherstellung systemrelevanter eigener Produktion. Auch Oberkirchs Oberbürgermeister Matthias Braun appellierte an die Verbraucher den „Speiseplan regional und saisonal aufzustellen.“ Der Obstanbau sei ein bedeutender Wirtschaftszweig in der Region. Wer auf regionale Produkte zugreife, schone die Umwelt und ernähre sich selbst stets frisch und gesund.
Das Bundeskabinett hat die Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevante Infrastruktur anerkannt. Das Zitat von Bundesagrarministerin Julia Klöckner sehen die Erzeugerorganisationen als Zukunftswunsch: „Gerade in Krisenzeiten wächst in unserer Gesellschaft hoffentlich wieder die Wertschätzung für unsere heimische, regionale und saisonale Erzeugung.“

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