Neuer Lebensabschnitt für Annika Wendle
Von Ringermatte ans Lehrerpult
Neuried Es ist etwas mehr als zwei Monate her, dass für Annika Wendle Karrierehöhepunkt und -tiefpunkt ganz dicht beieinander liegen. Im Freistilringen der Frauen in der Klasse bis 53 Kilogramm bei den Olympischen Spielen in Paris kommt sie ins kleine Finale und kämpft um Bronze. Während des Kampfes zieht sie sich eine schwere Knieverletzung zu. Sie kämpft trotzdem weiter. Gehandicapt kann sie ihrer Gegnerin allerdings nicht mehr viel entgegensetzen.
"Trotzdem waren die Olympischen Spiele ein tolles Erlebnis", sagt die 27-jährige Neuriederin. "Das Wohnen im Olympischen Dorf, der Besuch im Deutschen Haus waren etwas wirklich Positives." Auch die Wettkampftage hätten unglaublich viel Spaß gemacht. "Vor und nach dem Kampf bekommt man die ganze Atmosphäre in der Halle mit, die jubelnden Zuschauer und die Familie, die einen unterstützt", so Wendle. Der Schmerz um die verpasste Medaille nagt nicht mehr an der sympathischen Ringerin. "Ich bin ein Mensch, der Situationen schnell annimmt", sagt sie über sich selbst.
Über den Vater zum Ringen gekommen
Unterstützung hat sie auch von Freunden und der Familie erfahren und von den Menschen aus ihrem Heimatort Altenheim. Die bereiten ihr einen fulminanten Empfang nach ihrer Rückkehr aus Paris. "Der war super und eine kleine Entschädigung für die verpasste Medaille", sagt sie mit einem Lächeln.
In Altenheim ist sie zum Ringen gekommen. "Mein Vater war ebenfalls Ringer und ist Trainer beim ASV Altenheim." Mit ihrer Schwester begleitet sie den Vater zum Training. "Ich habe zunächst mit dem Turnen angefangen", erklärt sie. Im Ringen seien viele Turnelemente dabei, die gut für das Körpergefühl seien. "Aber das Ringen und Kämpfen hat sehr viel Spaß gemacht und so bin ich dabeigeblieben." Da ist sie fünf Jahre alt. Die Vielseitigkeit ist es, die Annika Wendle an ihrem Sport so fasziniert – Ausdauer, Technik, Kraft: "Ich lerne in jedem Training immer wieder Neues dazu. Man lernt nie aus." Das Training zahlt sich aus. Mit 16 Jahren geht Annika Wendle auf ein Sportinternat nach Freiburg. "So konnten die Schul- und Trainingsinhalte optimal aufeinander abgestimmt werden", erklärt sie. Trainiert wird jeden Tag, rund 16 bis 18 Stunden in der Woche. Das Organisieren des Alltags alleine im Internat sei ihr nicht schwergefallen. Disziplin und Durchhaltevermögen seien wichtige Eigenschaften, um erfolgreich zu sein – auch abseits des Sport, findet sie. Heimweh hätte sie keines gehabt, sagt sie: "Trotzdem bin ich sehr gerne zuhause bei meiner Familie. Da kann ich gut runterkommen."
Neuer Lebensabschnitt in der Grundschule
Auch wenn sie dem Ringen treu bleibt, beginnt im kommenden Jahr für Annika Wendle ein neuer Lebensabschnitt. Neben ihrer Sportlerkarriere hat sie ein Sport- und Mathematikstudium auf Grundschullehramt absolviert. Ihre Masterarbeit hat sie kürzlich abgegeben. "Ich freue mich auf etwas Neues. Jetzt ist für mich ein guter Zeitpunkt, andere Prioritäten zu setzen. Ich denke, dass mir die stärkere Fokussierung auf den Beruf ganz guttun wird", ist sie sich sicher. Der Lehrerberuf werde aber sicher eine Herausforderung, so Wendle weiter.
Als sportliches Ziel setzt sich die Neuriederin zunächst vor allem die vollständige Genesung. Und die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles? "Ich möchte nichts ausschließen", sagt sie mit einem Lächeln.
Ansonsten steht vor allem noch eine Wanderung auf dem Plan, die sie eigentlich nach den Olympischen Spielen von Paris fest eingeplant hatte.
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