Über 10.000 Exponate sind in Mahlberg ausgestellt
Tabakmuseum ist internationales Aushängeschild einer Kleinstadt
Mahlberg (mam). Es geschah just am 18. Februar 1997. Der damals junge Mahlberger Bürgermeister Dietmar Benz nahm einen satten Spendenscheck in Höhe von 10.000 Mark entgegen, zum zweiten Mal in seiner frischen Amtszeit. Überreicht wurde dieser von Wolfgang Ohnemus, heute noch nach Unterbrechungen amtierender Vorsitzender des "Förderkreises Oberrheinisches Tabakmuseum" (FOTM). Schon damals betonte Benz, dass das kleine Städtchen ohne den Förderkreis niemals im Stande wäre, sein Museum zu betreiben.
Das ist Europas und nach vielfältigen Recherchen unwiderlegt sogar weltweit größtes Fachmuseum rund um den Tabak. Es begann recht bescheiden. 1981 hatten Mahlbergs Alt-Bürgermeister Ulrich Hehr und der mittlerweile verstorbene Stadthistoriker Josef Naudascher erste Weichen gestellt, statt eines ursprünglich angedachten Heimatmuseums sich lieber speziell des regionalen Themas Tabak anzunehmen. Zehn Jahre Vorbereitungszeit gingen noch ins Land, bis schließlich ein der Gemeinde gehörendes marodes Zigarrenfabrik-Gebäude gründlichst in Eigenarbeit entrümpelt und saniert und erste Exponate zusammengetragen waren.
1991 wurde das Museum endlich offiziell eröffnet, mit Naudascher als jahrzehntelang ehrenantlichem Leiter. Dazwischen wirkte auch noch Ulrich Zitzlaff mit Herzblut leitend mit. Bald waren die vier alten Fabrik-Etagen auf nach Feierabend reparierten Holzböden mit überwiegend selbst gesammelten und gespendeten Exponaten gut gefüllt, von Ackergeräten über alte Verarbeitungsmaschinen bis hin zu teils skurrilen Rauchgeräten und Schnupftabakdosen. Dazu kam später noch ein gespendeter originaler Tabakschopf, in der Heidelberger Gegend komplett zerlegt und auf dem Museumsgelände wieder originalgetreu aufgezimmert, Balken für Balken und Brett für Brett. Der wurde sogleich mit weiteren Exponaten von zum Trocknen aufgehängten Tabakblättern bis zu gespendeter einstiger Roth-Händle-Warenausfuhrkutsche des vorletzten Jahrhunderts schnell gefüllt. Im neuen Keller fand eine Spezialsammlung alter Zigarettenschachteln Platz, quer durch die einstige Markenvielfalt.
Der aktuell 267 Mitglieder starke FOTM sorgt weiterhin für Kassendienste, Führungen und Pflege des Museums samt Außengelände. Mittlerweile hat er in den vergangenen 20 Jahren insgesamt umgerechnet satte 130.000 Euro als Spenden an die Stadtkasse überwiesen, überwiegend per jährlichen Museumsfesten gesammelt. Das Geld wurde stets zielgerichtet für neue Anschaffungen verwendet, kürzlich etwa für auf Knopfdruck abrufbare Video Informationen in sämtlichen Tabak-Etagen des Museums. Besucher können bislang leider nur von Mai bis September an Sonn- und Feiertagen – abgesehen von separaten Gruppenterminen – durch das Museum streifen. Dort fehlt nämlich noch immer eine teure Heizung, um die mehr als 10.000 unwiederbringlichen Exponate außerhalb der Sommerzeit vor kondensierender Besucher-Atemluft schützen zu können. Schimmel wäre verheerend. Darum herrscht im Winterhalbjahr nach wie vor ein Zutrittsverbot für Besucher.
Zu den sorgsam behüteten Schätzen des Museums gehören etwa eine zerkaute Herbert-Wehner-Pfeife, sämtliche 88 gesammelte deutschen Kaiser auf Zigarren-Bauchbinden ab Karl dem Großen bis Wilhelm II. oder nicht minder liebevoll zusammengetragene historische Fotos ehemaliger Zigarrenfabrik-Arbeiterbelegschaften – damals zumeist Frauen – aus der einst prosperierenden Zigarrenindustrie in der Region. Auch eine gespendete kubanische Cohiba mit damaligem 40 Mark Marktwert des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder gehört dazu, ebenso eine noch zu Lebzeiten von Helmut Schmidt aus seinem damals vorsorglich gehorteten Garagen-Fundus überlassene Menthol-Zigarettenpackung – natürlich mit persönlicher Signatur für das Mahlberger Tabakmuseum. Trotzdem: In Mahlberg wird keinesfalls die Rauchsucht verherrlicht, stattdessen nur an Tabak-Kulturgeschichte erinnert, ungefährlich schon für Grundschulklassen. Die Kleinstadt Mahlberg kann ihr Museum nicht alleine schultern, ohne den Förderkreis als unverzichtbare Stütze. Ohne ihn müsste das Tabakmuseum schließen, wissen sowohl der Bürgermeister als auch Namensvetter Patrick Benz als Naudaschers natürlich ebenfalls ehrenamtlicher Nachfolgeleiter.
Dennoch hatte die Stadt vor zwei Jahren die Komplettierung des ursprünglichen Tabakfabrik-Ensembles von 1898 mit dem Rückkauf der benachbarten alten "Fabrikantenvilla" samt Gartengelände und Grundstück für 793.000 Euro geschultert – nicht allein fürs Museumsensemble, sondern samt dabei mit instandgesetzter ehemaliger Kutschenremise als neuer Begegnungsstätte für Bürgergruppen. Das ging nur, weil dafür rund 401.000 Euro an Stadtsanierungs-Zuschüssen geflossen waren.
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