Übertritt ins Gymnasium – Dr. Schmidt: "Eltern sollten einige Fragen reflektieren"
"Persönlichkeitsentwicklung steht im Vordergrund"
Lahr (rö). Nach der vierten Klasse müssen sich die Eltern zwischen den unterschiedlichen weiterführenden Schulen entscheiden. Es gibt vielfältige Wahlmöglichkeiten. Doch welche Kinder sollten diese Schulform besuchen? In unserer Serie gehen wir der Frage nach, welche Schule für welches Kind die richtige ist. Thema im letzten Teil: das Gymnasium.
"Höhere Schule", das war einmal: Was einst – zumal mit Sprachenkunst in Griechisch und Latein – als Ausdruck einer ganz besonderen Begabung erschien, gibt es nicht mehr. Zum Beispiel am Scheffel-Gymnasium: Die früher gerne gepflegte Kombination Griechisch und Latein, so Direktor Dr. Reinhard Schmidt in einem ersten Telefonat, ist längst passé. Doch was ist der Unterschied, ob ein Jugendlicher an seinem oder einem anderen, zum Beispiel beruflichen Gymnasium sein Abitur machen will? Der Schulleiter: "Beim allgemeinbildenden Abitur steht die Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Der Weg geht weg von der reinen Wissensfülle hin zur Reifung der gesamten Persönlichkeit im Hinblick auf Verantwortung, soziales Bewusstsein und Stärkung der Ich-Identität."
Durch die fehlende Spezialisierung am Gymnasium würden die Abiturienten für ein Studium breiter aufgestellt. Auch in der Arbeitswelt erwartet man heute nicht nur das Wissen und Können aus dem Studienfach. Der 63-jährige Schulleiter: "Mit dem Abitur am allgemeinbildenden Gymnasium sind beste Voraussetzungen für ein Hochschulstudium und verantwortungsvolle berufliche Positionen in allen Bereichen gegeben. Der Abschluss am beruflichen Gymnasium ist unmittelbarer an einer fachspezifischen Berufsorientierung angesetzt und damit verengter. Er bereitet auf das Studium dieser Fachrichtung an einer Hochschule und in besonderer Weise auf das Berufsleben vor."
Doch auch am Scheffel-Gymnasium steht das mögliche spätere Berufsleben natürlich auf der Agenda. Mit Blick darauf gibt es beispielsweise das BOGY-Projekt zur Berufsorientierung. Bewerbungsschreiben werden dabei verfasst, Kontakte mit Firmen aufgenommen, eine Woche können Schüler der 10. Klasse bei einer Firma in Paris "schnuppern", danach wird ein Bericht abgegeben. Eine benotende Rückmeldung, so Schmidt, ist Pflicht.
Sehr gut entwickele sich auch die Aktion "Berufe & Co." in Lahr, eine Pflichtveranstaltung, während die Berufsinformationsmesse (BIM) in Offenburg inzwischen fakultativ besucht werden kann. 820 Schüler werden am Scheffel Gymnasium in 37 Klassen von 76 Lehrkräften unterrichtet. Ab dem kommenden Schuljahr muss bei der Anmeldung wieder eine Grundschulempfehlung zu einer weiterführenden Schule vorgelegt werden.
Nach wie vor entschieden jedoch letztendlich die Eltern, bei denen somit, so Schmidt, eine große Verantwortung liege. Eine Beratung sei aber bei der Anmeldung aus Sicht des Gymnasiums möglich. Dadurch könne ab dem kommenden Schuljahr besser ein gewisser Förderbedarf einzelner Schüler abgeschätzt werden, auch bei der Klassenzusammensetzung könnte dies je nachdem berücksichtigt werden.
Besser wäre es nach Ansicht des Schulleiters, die Verantwortung der Eltern zu stärken, zum Beispiel dadurch, dass sie, falls noch nicht geschehen, einige Fragen reflektierten. Dabei gebe es mit Blick auf einen Übertritt auf das Gymnasium einige entscheidende Fragen, die die Eltern in Ruhe beantworten sollten. Zu diesen Fragen zählt, ob das Kind die Grundschuljahre ohne größere Schwierigkeiten hinter sich gebracht hat, in der Regel gerne in die Schule geht, es die Grundschule als belastend empfindet, mit den Hausaufgaben zurecht kommt, das Kind in der Grundschule gute bis sehr gute Noten hat und zur leistungsstärkeren Hälfte der Klasse gehört, es Freude am Lesen, Schreiben, Basteln, Malen oder Musizieren hat und neugierig ist, Neues zu lernen.
Wenn die Eltern alle Fragen mit Ausnahme der Belastung in der Grundschule mit "Ja" beantworten können, ist das Gymnasium nach Ansicht Schmidts eine Schulart, die sie in Erwägung ziehen sollten. Grundsätzlich, so die Erfahrung des Schulleiters, glauben viele Eltern, ihrem Kind etwas Gutes zu tun, wenn sie ihm möglichst lange niedrige Anforderungen stellen. Schmidt: "Damit erkennen sie häufig nicht die Potenziale, die in ihrem Kind stecken. Sie trauen ihm zu wenig zu und nehmen ihm Entwicklungschancen. Aber es kann schön sein, die eigenen Talente zu entdecken und gefördert zu werden."
Darüber hinaus verweist der Direktor auf eine Studie des Institutes für Psychologie und Zentrums für angewandte Gesundheitswissenschaften der Leuphania Universität Lüneburg, die einen Zusammenhang zwischen der Schulform und häufigen Leiden erkannte.
Demnach haben Schüler eines Gymnasiums viel seltener angegeben, unter Kopf- oder Rückenschmerzen zu leiden. Außerdem seien überdurchschnittlich viele in Jugendorganisationen und Vereinen – und dies trotz G8.
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