Angedacht: Dieter Fettel
Nächstenliebe ist positiv ansteckend
Im Moment scheint die Welt im Chaos zu versinken und uns die Felle wegzuschwimmen. Immerhin: Corona ist nur noch auf Platz zwei der täglichen Meldungen. Aber zu welchem Preis? Die Allmachtsphantasie eines von der Macht korrumpierten alten Mannes bringt Mord und Totschlag, treibt elf Millionen Menschen in die Flucht, leert unsere Mehl- und Ölregale – wieder einmal –, greift uns bei Treibstoffen, Heizöl und Gas tief in die Taschen und bringt die Wirtschaft ins Stocken.
Ihr Begleiter diese Woche
Ich würde Ihnen gerne schreiben, dass alles Gut wird. Aber ganz ehrlich? Woher nähme ich die Kraft? Woher die Chuzpe, Ihnen ins Gesicht zu lügen? Ich weiß es weder besser, noch sehe ich das Licht am Ende des Tunnels. Immer wenn ich sage: Wenn man die Welt ändern will, muss man bei sich selbst anfangen, wird mir entgegengehalten: Was richte ich – einer von acht Milliarden – denn schon aus?
Dann sage ich, dass vor rund 2000 Jahren schon einmal ein ganz besonderer Mensch entgegen allen Kritikern und in aller für ihn brutalen Konsequenz schon einmal etwas ganz Großes angestoßen hat. Auch wenn in den Jahrtausenden danach von Macht und Machterhalt zerfressene Menschen die eigentlich gute Idee immer wieder aufs gröbste ad absurdum geführt haben, ist die Idee doch so gut – es wäre schade sie zu verwerfen oder gar aufzugeben, nur weil andere sie missbraucht haben.
Ich will glauben, dass Nächstenliebe die Macht hat alles zum Guten zu wenden und deshalb am Ende siegen wird. Denn ganz ehrlich: Tut sie es nicht, wird der letzte Mensch auf Erden, an dessen letzten Tag das Licht aus machen und sagen: "Ja, wir haben sie kaputt gemacht." Das scheint mir keine Option.
Das Gute daran: Nächstenliebe, auch wenn sie mühsam und alles andere als bequem ist, die kann jeder, jetzt und sofort. Sie kann den Stein, der uns auf dem Herzen oder uns im Weg liegt, den wir so mühsam vor uns herschieben, endlich ins Rollen bringen. Sie ist ansteckend – im positiven Sinne – und das haben wir Gebeutelten, aber auch alle, die auf der Flucht sind, bitter nötig.
Dieter Fettel, evangelischer Prädikant, Bezirk Lahr
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