Fußnote
Freundschaft und Anfrage

Die Idee kam durch einen Bericht eines Bekannten über positive Erfahrungen: Via Facebook sei er wieder in Kontakt mit einem früheren Freund getreten, von dem er gar nicht mehr gewusst habe, ob dieser überhaupt noch lebt. Prima, dachte der solchen Dingen gegenüber eher skeptisch eingestellte Zeitgenosse: Solche Freunde und Bekannte hatte er auch – zum Beispiel aus Studienzeiten. Aber wie das so ist: Aus den Augen, aus dem Sinn, alle hatte es, zum Beispiel aus beruflichen Gründen, in alle Richtungen verweht. Warum also nicht einen Versuch starten und sich bei Facebook anmelden. Die Resonanz war und ist immer noch überwältigend. Alle Anfragen zu sichten, hätte aber schon rein gefühlsmäßig zu viel Zeit gekostet, um alles zu verfolgen, was da so geteilt wurde und wird, von diversen Erfahrungsberichten ganz zu schweigen. Ein Glück, dass man das einfach wegklicken kann.
Wie es das moderne mediale Zeitalter so will, ereilten den Zeitgenossen – auf welchen Wegen auch immer – plötzlich auch jede Menge Nachrichten via Twitter. Auch da der erste Eindruck: Das meiste ist vernachlässigungswert. Bei diesem Eindruck blieb es. Das weitere Prozedere: siehe oben.
Nun ist es natürlich beileibe nicht so, dass er den neuen Kommunikationsmöglichkeiten abhold ist. Kann er auch gar nicht, schon gar nicht als Journalist. Schnellstmögliche Übermittlung und Beschaffung von Informationen gehören quasi zum Geschäft. Doch die Skepsis hat sich verstärkt auch angesichts dessen, wie sich Politiker aus der populistischen Ecke der neuen sozialen Medien bedienen und allen möglichen respektive unmöglichen Unsinn verbreiten. Da mag US-Präsident Donald Trump als Musterbeispiel dienen. Dass der Präsident seine Sicht der Dinge insbesondere über Twitter verbreitet, mag als modern erscheinen, doch die Inhalte sind es nicht. Und dann die Hass-Mails und Verschwörungstheorien, von Fake News ganz zu schweigen.
Der Zeitgenosse ist froh, dass er sich dem medialen Mainstream nicht ausgeliefert hat, so auch von irgendwelchen Fake News und sonstigem Unfug verschont geblieben ist und weiter verschont bleiben wird, weil er sie schlicht nicht zur Kenntnis nimmt. Hacker beispielsweise würden über ihn wohl kaum etwas erfahren, was beispielsweise zu Hass-Attacken Anlass gäbe. Dafür ist er froh über richtige, das heißt leibhaftige Freundschaften.
Via Facebook hat er übrigens keine ehemaligen Freunde und Bekannte ausfindig gemacht, sondern derlei Versuche nach der Facebook-Flut aufgegeben: zu nervig. Durchatmen ist angesagt und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Und der Zeitgenosse fragt sich, ob die Leute, die ständig mit dem Smartphone am Ohr oder vor der Nase unterwegs sind, so wohl auch Freunde finden? Anfragen wird es jedenfalls vermutlich in Hülle und Fülle geben.
Norbert Rößler

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