Montagsspaziergänge in Lahr
Stellungnahme des Gemeinderats und der Stadtspitze

Lahr (ds/st). Die Fraktionsvorsitzenden des Lahrer Gemeinderats - Eberhard Roth (Freie Wähler), Sven Täubert (Bündnis 90/Die Grünen), Roland Hirsch (SPD), Ilona Rompel (CDU), Jörg Uffelmann (FDP) - sowie Oberbürgermeister Markus Ibert, Erster Bürgermeister Guido Schöneboom und Bürgermeister Tilman Petters nehmen in einer Pressemitteilung gemeinsam Stellung zu den Montagsspaziergängen in Lahr:

Der Wortlaut

"Seit fast zwei Jahren leben wir in der Corona-Pandemie. Medizin und Wissenschaft, Politik und Verwaltung müssen auf immer neue, unvorhersehbare und dynamische Entwicklungen reagieren. Dabei sind sie stets geleitet von dem Ziel, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die Zahl der Todesopfer so gering wie möglich zu halten. Die Vorgaben und Regeln, die dafür erforderlich sind, verlangen den Menschen viel ab. Wir alle haben schon im persönlichen Umfeld erlebt, wie belastend die Pandemie wirken kann. Ebenso haben wir immer wieder gesehen, dass sich einige Maßnahmen bewähren, während andere nachgebessert werden müssen.

Niemand sagt, dass jede Anordnung der Regierungen und Behörden zu jedem Zeitpunkt genau angemessen war. Nicht zu entscheiden, wäre jedoch jederzeit das Falscheste. Viele Einschränkungen sind vor allem erforderlich, um die gesundheitlich besonders Gefährdeten zu schützen. Damit sind sie sozial geboten. Wir sind daher überzeugt, dass wir uns insgesamt auf dem richtigen Weg befinden und mit der Pandemie angemessen umgehen. Nach unserer Wahrnehmung ist die Akzeptanz dieses Kurses hoch. Es gibt jedoch eine Minderheit, die den Corona-Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen skeptisch bis ablehnend gegenübersteht und ihren Protest öffentlich zum Ausdruck bringt. Das ist ihr gutes Recht und soll nicht in Frage gestellt werden, wenn die geltenden Vorschriften eingehalten werden.

Auch in Lahr finden seit einigen Wochen Kundgebungen statt, die nicht angemeldet sind, bei denen teilweise die Corona-Regeln bewusst oder unbewusst missachtet werden und eine Minderheit eine Grauzone ausnutzt. Mit der Bezeichnung 'Montagsspaziergänge' versuchen die Initiatoren und Teilnehmenden, das Versammlungsrecht zu unterlaufen und sich zugleich in der Tradition von Menschen, die sich vor mehr als 30 Jahren gegen die Regierenden in der damaligen DDR gestellt haben, zu verorten. Dieser Vergleich ist unangemessen und nicht akzeptabel. Wir fordern die Initiatoren und Teilnehmenden auf, sich dieser Symbolik nicht mehr zu bedienen, die Kundgebungen anzumelden und die Corona-Regeln konsequent einzuhalten.

Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger verhält sich solidarisch und verantwortungsbewusst. Sie beachtet die Vorgaben und stellt eigene Bedürfnisse hinten an. Dies gilt für Schülerinnen und Schüler, Gewerbetreibende, Kulturschaffende und viele mehr. Ihnen ist es nicht zu verdenken, wenn sie sich von denjenigen, die bei den 'Montagsspaziergängen' auf die Straße gehen, vorgeführt fühlen. Erst recht gilt dies für das medizinische Personal, das seit fast zwei Jahren unter teilweise schwierigsten Bedingungen und eigenem Gesundheitsrisiko für die medizinische Versorgung und Sicherheit von uns allen sorgt. Vor diesem Hintergrund ist es ein starkes Zeichen, dass am vergangenen Montag in Lahr gleich zwei Gegenkundgebungen, initiiert aus der Zivilgesellschaft, regelkonform und verantwortungsvoll für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen demonstriert haben. Allen, die daran teilgenommen haben, gilt unser Dank.

Zugleich sind wir der Ansicht, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in einer freiheitlichen Demokratie ein außerordentlich hohes Gut ist. Ihre Einschränkung wäre unverhältnismäßig, solange eine – gemessen an der Größe unserer Stadt – überschaubare Anzahl von Menschen ihren Protest friedlich zum Ausdruck bringt. Viele Demonstrierende kommen aus der Mitte unserer Stadtgesellschaft. Es ist für uns eine gemeinsame Aufgabe, mit diesen Menschen im Dialog zu bleiben beziehungsweise wieder in einen Dialog zu kommen. Wir möchten ihnen zeigen, dass wir ihre Ängste, Bedenken und Kritik ernst nehmen. Dazu gehört auch, dass wir es uns nicht leicht machen, indem wir die Kundgebungen einfach verbieten. Allerdings steht die Stadtverwaltung im engen Dialog mit der Polizei und beobachtet die weitere Entwicklung. Ebenso stimmen die Großen Kreisstädte in der Ortenau und das Landratsamt ihr Vorgehen ab. Selbstverständlich behält sich die Stadt Lahr ordnungsrechtliche Maßnahmen vor, sofern die Lage es erfordert und sich das Verhalten der Demonstrierenden ändert.

Die Kundgebungen belegen, dass die Pandemie unsere Gesellschaft vor eine harte Bewährungsprobe stellt. Aber gerade jetzt brauchen wir den Zusammenhalt. Wir bitten daher alle Bürgerinnen und Bürger: Distanzieren Sie sich von radikalen Kräften, falschen Behauptungen und unsolidarischem Verhalten. Zugleich freuen wir uns über die vielen ermutigenden Beispiele für Solidarität, Mitmenschlichkeit und Engagement, die wir in Lahr erleben: in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, Kitas und Schulen, Polizei und Feuerwehr, Betrieben und Verwaltungen, Netzwerken und Vereinen, Nachbarschaft und Familie. Als Stadtgesellschaft haben wir die Chance, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Wir danken allen, die mit ihrem verantwortungsbewussten Verhalten dazu beitragen, und wir werden zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt gemeinsam weiterhin alles unternehmen, was in unseren Möglichkeiten steht, um die Herausforderung der Pandemie zu bewältigen."

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