Ganztagsbetreuung
Rechtsanspruch ist eine große Herausforderung für Kommunen

Lahr (st) Die Stadt Lahr wird nicht in der Lage sein, den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027 fristgerecht und vollständig zu verwirklichen.

Als herausragendes bildungspolitisches Projekt der letzten Jahre wurde im Oktober 2021 der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027 mithilfe des Ganztagsförderungsgesetzes durch den Bundestag auf den Weg gebracht.

„Die Realisierung der Anspruchsberechtigung in einem knapp vorgegeben Zeitraum stellt Kommunen vor extreme Herausforderungen“, verdeutlichen Oberbürgermeister Markus Ibert und Erster Bürgermeister Guido Schöneboom in einem Schreiben an Kultusministerin Theresa Schopper, Finanzminister Danyal Bayaz, Regierungspräsident Carsten Gabbert und an die hiesigen Landtagsabgeordneten.

Fehlbedarf

Bis zur Einschulung des ersten Jahrgangs bleiben nur noch rund zwei Jahre, um die Voraussetzung dieses Rechtsanspruchs zu ermöglichen, heißt es in der Pressemitteilung. Wichtige Punkte sind offen oder noch nicht ausreichend geklärt. Gestaffelt ab dem Schuljahr 2026/2027 zeichnet sich Stand heute in der Stadt ein Fehlbedarf von fast 500 Ganztagsplätzen ab.

Für die Umsetzung des Rechtsanspruchs sind aktuell und perspektivisch keine ausreichenden finanziellen Ressourcen vorhanden. Sowohl was eine zusätzliche Kreditfinanzierung als auch eine Refinanzierung weiterer Projekte durch den Ergebnishaushalt angeht, befindet sich die Stadt „in einer finanziellen Sackgasse“, so der Oberbürgermeister und der Erste Bürgermeister.

„Die Stadt Lahr hat schon früh die Vorteile einer Ganztagsbetreuung erkannt – eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Bildungsgerechtigkeit und die Stärkung der Wirtschaft – und die Entwicklungs- und Erweiterungsbedarfe der Lahrer Grundschulen ermittelt. In einem Schulgipfel mit dem Gemeinderat, der die Lahrer Bildungslandschaft ganzheitlich betrachtete, wurden bereits Ende 2019 langfristige Investition an städtischen Schulen in Höhe von 51,6 Millionen Euro gesehen“, betonen die Unterzeichner.

Zur Realisierung des Rechtsanspruches müssen vier Grundschulen zu Ganztagesschulen ausgebaut werden. Im Lahrer Osten ist hierfür ein Neubau einer Grundschule geplant. Für die Rechtsanspruchserfüllung sind in den kommenden Jahren für Baumaßnahmen zusätzliche Haushaltsmittel von rund 30 Millionen Euro erforderlich.

Die Finanzierung dieser notwendigen Arbeiten hängt von der Leistungsfähigkeit des städtischen Haushaltes und notwendiger Förderungen ab. Die finanzielle Situation der Stadt Lahr hat sich in den letzten Jahren aufgrund anhaltender Krisen, konjunktureller Schwächen und immer weiter wachsenden kommunalen Aufgaben verschlechtert. Trotz erheblicher Sparzwänge ist es dennoch gelungen, in den nächsten vier Jahren bauliche Investitionen in Höhe von 38 Millionen Euro zu veranschlagen, von denen allein 76 Prozent auf den Bildungsbereich entfallen. Hier sind jedoch die Schulentwicklung im Lahrer Osten und der Ausbau der Grundschulen im Wesentlichen nicht berücksichtigt.

Auch andere Aufgabenschwerpunkte

Neben Bildungsinvestitionen muss die Stadt auch in andere Ausgabeschwerpunkte investieren. Das sind unter anderem die Erschließung des Klinikneubaus, die Modernisierung und Ausstattung der Feuerwehr, die regelmäßige Gebäudesanierung, die Infrastruktur, der Verkehr und die Innenstadt.

Die Realisierung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung verschärft dies weiter, da die Landesförderung nur etwa 20 Prozent der Kosten deckt und es für die verpflichtende Ferienbetreuung keine Landesförderung gibt. Der Ausbau der Schulkindbetreuung wird den Haushalt jährlich um mindestens eine Million Euro an Folgekosten aus zusätzlichen Eigenmitteln belasten.

Das Fördervolumen des Landes ist nicht ausreichend. Den 386 Millionen Euro an bereitgestellten Fördermitteln stehen Förderanträge in Höhe von 1,2 Milliarden Euro gegenüber. Eine Anschlussfinanzierung ist nicht gesichert. Zudem müssen die notwendigen Investitionen 2027 abgeschlossen sein, was bei größeren Vorgaben nicht einzuhalten ist, führen Ibert und Schöneboom weiter aus.

„Die Umsetzung des Rechtsanspruchs erfordert für die Kommunen eine volle Anerkennung des verfassungsrechtlich garantierten Konnexitätsprinzips. Ein Paradigmenwechsel in Sachen Konnexität ist daher aus unserer Sicht dringlichst geboten. Es zeigt sich, dass weder Bund noch Land dem Grundsatz gerecht werden“, so die Lahrer Verwaltungsspitze.

Investitionen in die Bildung genießen bei der Stadt Lahr schon immer eine hohe Priorität: In den letzten fünf Jahren hat Lahr allein 43,6 Millionen Euro in Schulen und Kitas investiert. Nach Abzug der Förderungen flossen über 35 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt. Hierzu zählen Sanierungsarbeiten aber auch größere Um- und Neubauten wie der Neubau der Kita Abenteuerland und die umfangreichen Sanierungen an den beiden städtischen Gymnasien.

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