Ex-OB über Lage in Brasilien
Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber
Lahr (ds) Der Sturm von Bolsonaro-Anhängern auf Regierungsgebäude in Brasilien sorgt auch hierzulande für Besorgnis. Dr. Wolfgang G. Müller, Vorstands-Mitglied im Kuratorium der Deutsch-brasilianischen Gesellschaft und Lahrer Oberbürgermeister a. D., war einige Jahre beruflich in Brasilien tätig. Noch heute besucht er regelmäßig das Land in Südamerika. Die Guller-Redaktion hat bei ihm nachgefragt: Ist die Demokratie in Brasilien in Gefahr?
"Die Gesellschaft in Brasilien hat sich in den vergangenen Jahren erheblich polarisiert. Das hat auch der knappe Ausgang der Präsidentenwahl Ende Oktober bestätigt", erklärt Müller. Stark vereinfacht ausgedrückt gebe es zwei politische Lager, die sich auf die Namen Lula und Bolsonaro reduzieren ließen und sich unversöhnlich gegenüber stünden. "Leider musste ich das selbst im eigenen Freundeskreis beobachten, als ich im Oktober den Wahlkampf in Brasilien begleitete", berichtet er.
Vergleiche mit den USA
Der ehemalige Präsident Bolsonaro sei als Trump der Tropen tituliert worden, der ebenfalls mit Halbwahrheiten und Falschmeldungen agiert habe, nicht ohne Erfolg. "Die jüngsten Ereignisse in Brasilien gehen über den Sturm auf das Kapitol in Washington deutlich hinaus. Die radikalen Anhänger Bolsonaros haben nicht nur den Kongress gestürmt, sondern auch das Oberste Gericht und das Präsidialamt", erläutert Wolfgang G. Müller und weiter: "Auf Deutschland übertragen hieße das, es hätte ein Sturm auf den Bundestag, das Bundeskanzleramt und das Bundesverfassungsgericht stattgefunden. Unvorstellbar!"
Bei allem politischen Schaden habe diese brutale Aktion aber dazu geführt, dass sich viele Anhänger Bolsonaros von ihm abwenden würden. Gleichzeitig seien viele Menschen durch die Radikalität, die hinter Bolsonaro stecke, alarmiert worden. "Viele überzeugt aber auch das besonnene Vorgehen von Präsident Lula da Silva", so der Brasilien-Kenner weiter. Momentan werde versucht herauszufinden, wer die Urheber dieser Revolte gewesen seien, wer diese finanziert habe und inwieweit Bolsonaro selbst die Feder geführt habe. "Die Revolte hat Bolsonaro geschadet, hat für Klarheit gesorgt und markiert somit für mich einen Wendepunkt, hin zu wieder mehr Geschlossenheit und Verständnis innerhalb der brasilianischen Gesellschaft", zeigt sich Müller hoffnungsvoll.
Demokratie ist stabil
Die Organisation, Durchführung und Überprüfung der jüngsten Wahlen hätten gezeigt, wie stabil die Institutionen der Demokratie in Brasilien seien. Auch wie Regierung und Justiz auf die Revolte reagiert hätten, würde dies bestätigen. Die Ereignisse hätten aber auch gezeigt, dass Teile des Militärs und der Polizei genau beobachtet werden müssten. "Insofern war es richtig, dass Bundespräsident Steinmeier und andere Staatsoberhäupter bei der Amtseinführung von Lula anwesend waren und ihre Unterstützung deutlich gemacht haben", so Müller. Ich setze weiterhin auf ein demokratisches Brasilien, das eng mit Deutschland und der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeitet."
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