Jubiläum in Langenwinkel
Geschichte einer außergewöhnlichen Umsiedlung

Das Flugplatzgelände heute - vor 50 Jahren musste ihm der Ortsteil Langenwinkel weichen. | Foto: IGZ
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Lahr-Langenwinkel (st). Eigentlich dürfte es Langenwinkel heute nicht mehr geben. Das Dorf musste einem Flughafen weichen, wurde aber an anderer Stelle neu aufgebaut. An diesen Umzug wird in diesem Jahr mit diversen Feierlichkeiten erinnert. Geplant ist unter anderem die Uraufführung der Komposition "tõˈbo" für Gesangsquartett, E-Gitarre, E-Geige, Synthesizer, Percussion und Flugzeug. Damit wird in Anlehnung an Stockhausens Helikopter-Streichquartett die Geschichte dieses Umzugs künstlerisch verarbeitet. Die Geschichte hat auch Potential für eine längere Dokumentation – doch was geschah eigentlich damals vor über 50 Jahren?

Dem Flugplatz im Weg

Langenwinkel ist seit 1972 Stadtteil der Großen Kreisstadt Lahr. Die dort stationierten französischen Truppen begannen in der Regie der Nato ab 1951 die massive Erweiterung der Lahrer Flugplatzanlage. Es wurde eine neue Startbahn gebaut, sodass Langenwinkel direkt in der Einflugschneise lag. Der rege Übungsbetrieb mit Jagdmaschinen führte zu einer unbeschreiblichen Lärmbelästigung und barg die beständige Gefahr eines Flugunglücks – nach einer Verlängerung der Startbahn war diese nur noch 400 Meter von der Ortschaft entfernt. 1957 waren häufig bis zu zehn Düsenjäger zugleich in der Luft, Starts und Landungen gingen in geringer Höhe über die Dächer der Dorfbewohner hinweg. Die Anwohnenden litten besonders unter dem Lärm der Flugzeuge, teils mit erheblichen gesundheitlichen Folgen. An das Bestellen der Felder mit Zugtieren und an Kleinviehhaltung war nicht mehr zu denken. 1963 stimmte nach langen und zähen Diskussionen eine große Mehrheit der Bewohner Langenwinkels für eine geschlossene Umsiedlung ihres Dorfes. Gemeinsam wollten sie sich ein neues Dorf und eine neue Zukunft aufbauen. Während die Bewohner von Dörfern, die der Braunkohle weichen mussten, sich häufig in alle Winde zerstreuten, blieb ein großer Teil der Langenwinkler zusammen. Und sie hatten sich zuvor selbst für die Umsiedelung entschieden. Im neuen Dorf kamen rasch neue Mitbewohner – zunächst vor allem kanadische Soldaten mit ihren Familien – hinzu. 

Übernahme durch Kanadier

Die Geschichte Langenwinkels in den zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist voll Aufbauwillen und Aufbruchsgeist, zugleich aber auch Enttäuschungen und Widerständen. Voller Elan gingen die Menschen an die Modernisierung des Ortes: Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung und sogar eine Ortsrufanlage waren Neuerungen der frühen 1950er-Jahre, die selbst größere Gemeinden in der Umgebung zu diesem Zeitpunkt nicht vorweisen konnten. 1955 bekam das Dorf nach 150 Jahren endlich eine eigene Kirche – wegen des zunehmenden Flugbetriebs ohne Turm. 1959 wurde ein neues Schulhaus errichtet, neue Baugelände waren ausgewiesen – die Bebauung dieser Gebiete blieb jedoch eine Illusion. Stattdessen erfolgte nach langem bürokratischen Ringen der Umzug des Dorfes. Noch bevor die ersten Häuser des neuen Dorfes bezogen werden konnten, wurden die französischen Luftwaffeeinheiten aus Deutschland abgezogen, den Flughafen in Lahr übernahm ein kanadisches Starfighter-Geschwader. Kurze Zeit später wurde auch dieses durch eine Panzerbrigade ersetzt, was zu einer Reduzierung - allerdings nicht zur vollständigen Aufgabe - des Flugbetriebs führte.

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