Thementag Wirtschaft der IHK Südlicher Oberrhein
Digital oder stationär?
Lahr (st). „Wie werden wir in Zukunft in Einzel-, Großhandel und Industrie einkaufen?“ Mit dieser Frage setzten sich Experten und Publikum bei IHK-Thementag Wirtschaft auf der Landesgartenschau in Lahr auseinander. Über 120 Teilnehmer interessierten sich dafür, wie sich Unternehmen auf die Digitalisierung einstellen.
Für das Podium hatte die IHK Südlicher Oberrhein je einen Vertreter aus dem Einzel-, dem Großhandel und der Industrie eingeladen: Peter Tepaß, Geschäftsführer Vertrieb Obi GmbH & Co. Deutschland KG, Markus Bruder, Geschäftsführer Friedrich Streb Franz Bruder GmbH, Offenburg, und Andrea Bußmann, Geschäftsführerin Grohe Deutschland Vertriebs GmbH. Schnell wurde in der von IHK-Präsident Dr. Steffen Auer moderierten Runde klar, die Digitalisierung zwingt die Unternehmen zum Handeln. Wer seine Kunden nicht verlieren möchte, muss sich auf die geänderten Bedürfnisse einstellen. „Den Kunden an sich gibt es nicht. Durch das Internet sind die Endkunden viel informierter als früher und nehmen mehr Einfluss“, beschreibt Sanitärexpertin Andrea Bußmann, deren Unternehmen schon heute viele digitale Produkte fürs Badezimmer anbietet. Dabei spiele die Vernetzung eine große Rolle. Da die Haushalte insgesamt elektronischer werden, achte man auf offene Schnittstellen, damit diese Vernetzung gelingen könne. Die Digitalisierung führe auch dazu, dass Berufsbilder angepasst werden müssten. Die einzelnen Gewerke würden künftig noch stärker miteinander vernetzt werden.
Mit Videobrille Servicemitarbeiter einbeziehen
Auf diese Herausforderung stellt man sich beim Großhändler Streb ein. Geschäftsführer Markus Bruder beschreibt wie sein Unternehmen künftig Handwerker und Händler stärker durch digitale Serviceleistungen unterstützen möchte: „Wir helfen den Handwerkern beispielsweise bei der Problemlösung vor Ort, indem sie sich digital mit unseren Fachleuten vernetzen können“. Eine Filmsequenz gibt Einblick, wie das in der Zukunft aussehen kann, wenn beispielsweise ein Elektriker mit Hilfe einer Videobrille einen Servicemitarbeiter von Streb direkt einbeziehen kann und so bei Bedarf in einem Schritt auch das richtige Ersatzteil für ihn bestellt wird. Dabei ist Bruder überzeugt: „Menschen machen Märkte, die Beratung ist entscheidend. Das wird so bleiben, nur die Prozesse werden digitalisiert.“
Obi-Manager Peter Tepaß setzt ebenfalls auf Beratung: „Wir müssen den Kunden auf seiner Einkaufsreise begleiten. Bei vielen Produkten kommt es auf Haptik und Optik an, die das Internet nicht bieten können.“ Deshalb werde es den Einzelhandel in zehn Jahren noch geben, aber die Händler müssten ihre Geschäftsmodelle überdenken und das digitale mit dem stationären Geschäft verbinden. Die Einkaufsreise der Kunden beginne immer mehr online, wo sich der Kunde zuerst informiert. Deshalb sei es auch für kleine Händler extrem wichtig, im Internet präsent zu sein. Tepaß glaubt nicht daran, dass die Größe des Händlers oder der Preis allein entscheidend ist. Für ihn kommt es auf die Schnelligkeit und den Service an. Obi selbst setzt dafür unter anderem auf Onlinetools, mit denen die Kunden ganze Projekte wie eine Terrasse zu Hause planen können, um anschließend mit dieser Planung in den Baumarkt zu kommen. „Wir müssen künftig noch kundenzentrierter werden. Aus “do it yourself“ müssen wir vermehrt auf ein “do it for me” setzen.”, beschreibt Tepaß den Ansatz seines Unternehmens.
Umdenken erforderlich
Keine einheitliche Antwort gab es auf Auers Frage, ob sich die Unternehmen die Beratungsleistung bezahlen lassen sollten. Es bleibt abzuwarten wie sich der fortschreitende Wandel im Handel und im Verhalten der Kunden entwickelt. „Das erfordert ein Umdenken. Aber warum sollten wir nur das Produkt und nicht auch den Wert unseres Service verkaufen?“, hinterfragt die Grohe-Chefin. Bei Streb setzt man auf die Marktgemeinschaft mit anderen Großhändlern, um mit weiteren Wettbewerbern mithalten zu können. Durch die Vernetzung entstehe eine große Warenvielfalt und durch den Verkauf großer Warenmengen oder Komplettlösungen an den Handwerker, könne auch der dazugehörige Service angeboten werden. Einig waren sich die Podiumsvertreter dagegen darüber, dass die Zukunft des Handels nur crossmedial funktionieren könne. Ohne Digitalisierung gehe es nicht, aber ohne die Menschen, die den Kunden begleiten, eben auch nicht. „Wir müssen die Chancen der Zukunft sehen, nicht die Risiken“, appellierte Obi-Geschäftsführer Tepaß und zeigte dabei keine Angst vor bekannten Internetriesen, „Amazon ist ein guter Logistiker, aber kein guter Händler.“
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