Blühende, lebendige Welt aus Duft und Farbe
Kippenheim. „Il faut cultiver notre jardin – unser Garten muss bestellt werden“, lässt der
Philosoph und Menschenfreund Voltaire den Protagonisten seiner Novelle
Candide als letzte Weisheit sagen. Die „Arbeit“ am Garten ist auch für
Helga Göhringer aus Kippenheim mehr als bloßer Zeitvertreib. Seit sieben
Jahren öffnet sie zusammen mit ihrem Mann Erich die Türen zu ihrem
Garten in der Spitalstraße und bietet den Besuchern eine wild-schöne
Welt zum Abtauchen aus der Alltagswelt: dieses Jahr am 1. Juni von 11
bis 17 Uhr.
„Wir haben uns bei den Tagen der offenen Gartentür immer Anregungen bei den Gastgebern geholt für unser kleines Paradies und irgendwann wollten wir dann selbst zeigen, was unser Urlaubsort hinterm Haus zu bieten hat“, erzählt die 63-Jährige. Und tatsächlich ist
es eine Oase der Ruhe. Der Garten schlängelt sich um das Wohnhaus und
legt sich um selbiges wie ein grüner Schal aus Leben. Die Vögel
zwitschern. Bienen summen. Ein Idyll. „Nachts kommt noch das Quaken
unseres unsichtbaren Froschs hinzu“, sagt Erich Göhringer schmunzelnd.
Früher hat er die schweren Arbeiten erledigt. Doch mit fünf Bypässen
geht das nicht mehr. Sohn Michael kommt um die Ecke. Er ist schon von
Anfang an der Tüftler, der mit den Kollegen aus der Fußballmannschaft
beispielsweise Strommasten als Stützen für den Hang ums Haus getragen hat.
Es steckt viel Herzblut in der wilden Gartenlandschaft. Mediterran, südlich, gepflegt aber nicht zurecht gestutzt. Da ist Platz für reiches Leben. „Manche Pflanzen kommen per Vogelflug“, sagt die Hüterin des Gartens. „Wir schauen dann erstmal, was uns da geschenkt
wurde und reißen es nicht gleich raus. Auch ‚Unkraut‘ darf bei uns
wachsen.“ Überhaupt ist es das üppige Wachsen und Gedeihen, das den
Garten der Göhringers ausmacht. Über 20 Rosensorten mit Namen wie aus
einem Märchen: Ettenbühler Glöckchen, Pfingstrosen, im Teich Seerosen
und der Rambling Rector – zu deutsch der „ausschweifende Pfarrer“.
Selbst als Mensch ohne grünes Glück im Daumen geht das Kopfkino los. Ganz zu
schweigen von den Düften und Gerüchen im Garten. „Das hat uns im
Rosengarten Ettenbühl fasziniert“, sagt der Hausherr und die Gartendame
ergänzt: „Da müssen wir mal echt mal wieder hin.“ Bis zu sieben Metern
kann sich so eine Rambling Rector-Kletterrose um einen Baum oder wie bei
Göhringers um ein lauschiges Plätzchen ranken. Wer dort, den mit einem
Steg überbrückten Teich zu Füßen liegen hat, wird sich in den
Sitznachbarn verlieben müssen.
Auch ein Pool und ein Backhäuschen lugen aus dem satten Grün hervor. Alte Stühle, verrostete
Metalldekoartikel und viele weitere Flohmarkt-Fundstücke kann man
entdecken. Ein Labyrinth der Sinne, aus dem man gar nicht herausfinden
will. „Für mich gibt es das Wort Gartenarbeit gar nicht, ich lebe im
Garten“, sagt die Rentnerin, die seit zwölf Jahren mit ihrer Mangelstube
Hemden steift und Tischdecken die glatte Würde verleiht.
Bis zu 500 Besucher kommen am Tag der offenen Gärten in die Grünwelt der Göhringers. Oft sind es Gartenfreunde, die sich auf einen Plausch freuen, aber auch Raum für Inspiration bietet Helga
Göhringer. Auf zahlreichen Sitzmöglichkeiten legt sie Bücher und
Zeitschriften aus. „Die Leute nehmen sich gern die Zeit, ein wenig die
Seele baumeln zu lassen.“ Das macht auch die Gartenbesitzerin. Auf ihrer
Staffelei entstehen dann sanft-kräftige Aquarelle, die an die Tessiner
Landschaften und Häuser von Hermann Hesse erinnern. Bei den
Ausstellungen der örtlichen Eidos-Künstlergruppe stellt sie diese auch
aus. „Diese südliche Stimmung – im Garten und in der Malerei Hesses
faszinieren mich. Ich lese grad das ‚Glasperlenspiel‘ von Hesse. Keine leichte Kost.“
Statt Rasen liegt Kies aus. „Wir haben Bergdruck, und da ist der extra für unseren ersten Gartentag angelegte Rollrasen vermoost“, erklärt Erich Göhringer, der lange bei Burda gearbeitet hat. Am Vatertag wird er 66 Jahre. Gemeinsam mit den beiden Söhnen und den
drei Enkelkindern wird dann der Garten zum Feier-Ort. So genießen sie
den Ruhestand in ihrem Urlaubsparadies, das nur eine Tür entfernt ist.
Die badische Fahne weht über den Rosen. Die Rosen duften durch das
dichte Grün. Das Grün beruhigt die Seele. Il faut cultiver notre jardin...
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