Spediteur Gerd Gaster bietet Künstlern einen Raum
Ein innovativer Mensch und ein Querdenker
Kehl. Auch wenn er mit seiner Familie seit 35 Jahre südlich von Straßburg lebt, sagt Gerd
Gaster: „Ich fühle mich als echter Kehler.“ Kein Wunder, liegen seine
Wurzeln doch in der Stadt am Rhein. „Ich wurde 1947 in Achern geboren,
weil es nach dem Krieg kein Krankenhaus in Kehl gab“, erzählt Gaster aus
der Vergangenheit.
Die ersten Lebensjahre verbrachte er in Diersheim, denn Kehl war noch französisch besetzt. „Mein Großvater hatte
ein Haus an der Rheinpromenade“, so Gaster, der sich noch gut an die
Zeiten erinnert, als Kehl durch einen Stacheldrahtzaun in einen
deutschen und einen französischen Teil getrennt war. 1952 kehrte die
Familie nach Kehl zurück und Gaster sagt: „Ich habe immer mit den
französischen Kindern auf der anderen Seite des Zauns gespielt.“
Er stammt aus einer Kaufmannsfamilie. Seinem Großvater, Friedrich Beinert,
gehörte die Kaffeerösterei im Kehler Hafen. „Da meine Eltern sich 1959
getrennt hatten, war er mein Ziehvater“, erzählt Gaster aus der Zeit,
als sich sein Leben zwischen Schule, Kaffeerösterei und dem Haus am
Rhein abspielte. Kein Wunder also, wenn er heute in den Räumen in der
Oststraße steht und sagt: „Hier war mein Zuhause. Meine Mutter hat hier
gearbeitet und nach der Schule bin ich immer hierher gefahren.“ Dabei
legte der Großvater bei der Erziehung strenge Maßstäbe an und säte so
den Samen zum Erfolg des Enkels. „Ich bin Kaufmann durch und durch“,
stellt Gaster fest. Denn sein Großvater handelte nicht nur mit Kaffee,
sondern auch mit Zucker und Mehl: „Er war einer der Motoren im Kehler
Hafen nach dem Krieg.“
Ungewöhnlich in seiner Generation: Er lernte schon mit 13 Jahren Englisch und Französisch – ein Wissen, das
ihm in seinem späteren Beruf als Spediteur weiterhalf. „Ich wollte nicht
ins Geschäft meines Großvaters einsteigen“, erzählt Gaster. Also machte
er eine Ausbildung bei einer Spedition, deren Hauptgeschäftsfeld auf
dem Rhein lag. „Da startete ich eine steile Karriere“, so Gaster. Schon
mit 22 Jahren bekleidete er eine hohe Position in dem Unternehmen.
Bis er von der Spedition Eurotransit abgeworben wurde. Gaster schmunzelt
beim Erzählen: „Meine Mutter mochte den Gedanken gar nicht. Sie sagte,
ich könne doch nicht zu den Franzosen gehen.“ Doch für Gaster erwies
sich die Entscheidung als goldrichtig, denn 1976 kaufte er die
Spedition, deren Chef er nun seit 40 Jahren ist. „Ich wollte immer
Eurotransit kaufen“, verrät er und seine Augen glitzern dabei. Was ihm
in all den Jahren an seinem Beruf Spaß gemacht hat? „Ich durfte für
Weltfirmen tätig sein.“
Doch das Gelände der Kaffeerösterei verlor er nie aus den Augen. 1965 wurde das Unternehmen seines
Großvaters liquidiert, Friedrich Beinert zog sich ins Privatleben
zurück. Dafür mietete sich die Firma Bleyle in der Oststraße ein. „Sie
waren lange da“, so Gaster. Noch heute findet man Spuren des Mieters,
wie den Empfang, der noch völlig unverändert an das Büro von Gerd Gaster
grenzt.
Nach dem Tod seines Großvaters ging alles an eine Erbengemeinschaft. Es dauerte, bis man sich geeinigt hatte. „Ich wollte
nie verkaufen, ich wollte immer das Vermächtnis meines Großvaters
erhalten“, macht Gerd Gaster deutlich. Und das tut er auf ungewöhnliche
Weise. In den vergangenen Jahren zogen – zu den gewerblichen Mietern –
Künstler in das Erdgeschoss des Hauptgebäudes, das noch den Charme eines
Industriebaus des beginnenden 20. Jahrhunderts verströmt, ein.
„Nachdem ich an die erste Künstlerin vermietet hatte, kamen immer mehr“, so
Gaster. Also ließ er Wände in den ehemals durchgängigen Raum einziehen,
so das einzelne Ateliers entstanden. Seit etwas mehr als einem Jahr ist
das „Theater der zwei Ufer“ hier zu Hause. „Ruth Dilles veranstaltet
Matineen und sie haben ihren Probenraum hier“, berichtet Gaster. Ob
privat oder beruflich: Er ist ein innovativer Mensch und ein Querdenker.
In aller Munde war die alte Kaffeerösterei, als im Juli „Die Dreigroschenoper“ in einem benachbarten Lagerraum aufgeführt wurde.
Gaster stellte ihn unentgeltlich zur Verfügung: „Ich fördere Kehl, wenn
es möglich ist. Es ist mein Heimatort“, antwortet er auf die Frage nach
dem Warum. „Ich habe in meinem Leben gelernt, dass man nicht nur nehmen
kann, man muss auch geben.“ Und er ist mit Ideen für die Oststraße noch
nicht am Ende.
Autor: Christina Großheim
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