Jugendbuch von Fritz Wertheimer ist Zeugnis der jüdischen Geschichte in der Stadt
Ein einzigartiges Geschenk für das Kehler Stadtarchiv

Friedrich Peter übergibt ein Jugendbuch von Fritz Wertheimer an Stadtarchivarin Ute Scherb. | Foto: Foto: Stadt Kehl
  • Friedrich Peter übergibt ein Jugendbuch von Fritz Wertheimer an Stadtarchivarin Ute Scherb.
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Kehl. Er ist einer der bekanntesten jüdischen Bürger Kehls – obwohl er 70 seiner 81 Lebensjahre
gar nicht hier, sondern in Argentinien verbracht hat. Dass sein Name
vielen Kehlern doch ein Begriff ist, liegt daran, dass Fritz Wertheimer
seiner Heimatstadt seit den 80er-Jahren fast alle zwei Jahre einen
Besuch abgestattet und mitgeholfen hat, die jüdische Geschichte Kehls
aufzuarbeiten. Jetzt hat sein Freund Friedrich Peter aus Kehl
Stadtarchivarin und Museumsleiterin Ute Scherb ein Jugendbuch vermacht,
das Fritz Wertheimer zu seiner Bar Mizwa-Feier geschenkt bekommen hat.

In dem Jugendbuch, das eines der wenigen erhaltenen Dokumente zur
jüdischen Geschichte Kehls ist, finden sich noch drei weitere wichtige
Einzelstücke, nämlich Fotos von Lazarus und Regina Mannheimer, Onkel und
Tante von Fritz Wertheimer. Es sind die einzigen Fotos, die von den
beiden existieren. Lazarus Mannheimer war 20 Jahre lang Oberlehrer an
der Falkenhausenschule, Vorsteher des jüdischen zentralen Vereins und
Kantor der jüdischen Gemeinde. Er war eines der Opfer des Nazi-Regimes.
1933 suspendierten die nationalsozialistischen Herrscher ihn vom
Schuldienst, 1940 deportierten sie ihn und seine Frau Regina ins
südfranzösische Konzentrationslager Gurs. Von dort kam er nach
Auschwitz, wo er 1942 getötet wurde. Zwei Stolpersteine, einer vor der
Falkenhausenschule und einer vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der
Kinzigstraße, erinnern heute noch an ihn. Eine Straße, die nach ihm
benannt wurde, zeugt davon, wie wichtig seine Persönlichkeit für die
Kehler Stadtgeschichte ist.

Lazarus Mannheimers Schicksal steht stellvertretend für das vieler jüdischer Bürger: 38 sind der
Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen, rund 20 sind ins
Konzentrationslager nach Gurs deportiert worden. 1905 lebten rund 150
Juden und Jüdinnen in Kehl, 1941 kein einziger jüdischer Mann und keine
einzige jüdische Frau mehr.

Diejenigen, die überlebt haben, konnten wie Fritz Wertheimer fliehen. Der gebürtige Bodersweierer ist im
Alter von elf Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder zunächst von
Kehl nach Hamburg geflohen und von dort aus mit dem Schiff nach
Argentinien gereist. Buenos Aires wurde zur neuen Heimat der Familie
Wertheimer. In den 80er-Jahren reiste Fritz Wertheimer das erste Mal
wieder nach Kehl. Ab dann kam er regelmäßig, fast alle zwei Jahre, um
alte Schulfreunde zu treffen, in Schulen über sein Lebensschicksal zu
berichten und Kontakte zu ehemaligen jüdischen Kehlern herzustellen.

Bei einem dieser Besuche kam es zur Begegnung mit Friedrich Peter, damals
Geschichtslehrer an der Tulla-Realschule, der über die jüdische
Bevölkerung Kehls forschte. Friedrich Peter wusste, dass Fritz
Wertheimer kommen würde, fand heraus, in welchem Hotel er unterkommen
wollte und suchte ihn schließlich dort auf. Es war der Beginn einer
langjährigen engen Freundschaft zwischen den beiden. „Anfangs hatte ich
ja quasi nur zu Forschungszwecken Kontakt aufgenommen, aber schnell
wurde unsere Beziehung persönlicher“, erzählt der pensionierte
Schulrektor. Die beiden Männer schrieben sich regelmäßig Briefe – einige
davon hat Friedrich Peter dem Stadtarchiv vermacht – und 1999 schickte
Fritz Wertheimer seinem Freund per Post sein Jugendbuch mit dem Titel
„Die Jungen vom Gusch“, mit einer persönlichen Widmung seines Onkels
Lazarus Mannheimer. Er hatte es zusammen mit wenigen Erinnerungsstücken
1939 mit in die Emigration genommen – nur deshalb ist es erhalten
geblieben.

Friedrich Peter ist es nicht schwer gefallen, sich von seinem Geschenk zu trennen, das auch gleichzeitig eine persönliche
Erinnerung an seinen 2009 verstorbenen Freund Fritz Wertheimer ist: „Ich
weiß ja, dass es im Stadtarchiv sehr gut aufgehoben ist“, sagt er. Dort
liegen als Erinnerungsstücke an jüdische Bürger bisher nur die Orden,
die Julius Wertheimer, Fritz Wertheimers Vater, für seinen Einsatz im
Ersten Weltkrieg erhalten hatte. 2001 hat Fritz Wertheimer sie dem
Stadtarchiv bei einem Besuch übergeben.

Autor: st

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