Buapin Samenfink verließ Thailand aus Liebe zu ihrem Mann
Kehl. „Wo es dir gut geht, dort ist die Heimat“, stellte schon der römische Tragödiendichter
Pacuvius (220-130 v. Chr.) fest. Im Rahmen der deutschlandweiten Aktion
des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter „Das geht uns alle an“
stellen wir in unserer Serie Menschen vor, die ihre ursprüngliche
Heimat aus den unterschiedlichsten Gründen verließen. Eine neue Heimat
haben sie in der Ortenau gefunden. Christina Großheim sprach mit Buapin
Samenfink, die seit 21 Jahren in Kehl-Goldscheuer lebt.
Wenn Deutsche an Thailand denken, dann an weiße Strände, blaues Meer und sich
sanft im Wind wiegende Palmen. Das sind nicht die Erinnerungen, die
Buapin Samenfink an ihre Heimat hat. Die 56-Jährige lebt seit 1994 in
Deutschland und sagt selbst: „Hier ist jetzt meine Heimat. Ich denke
nicht mehr an Thailand. Ich stamme aus Mae Rim, das liegt im Norden von
Thailand“, erzählt sie. Sanfte Hügel prägen die Landschaft. Ihre
Kindheit beschreibt sie als unbeschwert, aber doch völlig anders als
die, die ihre Kinder hier in Deutschland hatten: „Für Kinder ist es in
Deutschland viel besser als in Thailand.“
Einer der großen Unterschiede: Die Schule beginnt um acht Uhr morgens und endet erst am
Nachmittag um 17 Uhr. „Wir haben unser Essen mit in die Schule
genommen“, erinnert sie sich. Außerdem ist in Thailand das Tragen einer
Schuluniform Pflicht. „Wir haben mit allen Kindern im Ort gespielt“,
sagt Buapin Samenfink. Mit einem Großteil von ihnen war sie verwandt:
„Neben meinen Eltern und meinem Bruder haben viele Cousins dort gelebt.“
In den großen Ferien, die in der heißen Zeit in Thailand – also im
April – liegen, hat sie wie alle Kinder im Ort bei der Ernte geholfen.
Als sie erwachsen wurde, bestritt sie ihren Lebensunterhalt zunächst damit,
dass sie Gemüse im Garten zog und die Früchte auf den Märkten
verkaufte. „Später habe ich dann in einem Restaurant gearbeitet“,
erinnert sie sich. „In meiner Kindheit war Mae Rim ein kleiner Ort in
Thailand, heute ist er viel größer geworden.“
Den Grund, warum sie ihre ursprüngliche Heimat verließ, lernte sie in einem Gästehaus in
Chiang Mai kennen: „Mein Mann war damals alleine im Urlaub unterwegs und
hatte kurz entschlossen das Gästehaus gewechselt.“ In der neuen Bleibe
war sie beschäftigt. Die beiden verliebten sich ineinander. Doch auch,
wenn sie sich Bernd Samenfink nahe fühlte, war dies für die junge Frau
kein Grund, die Koffer zu packen. Im Jahr darauf besuchte er sie wieder,
blieb selbst zwei Jahre in Thailand. Die beiden führten gemeinsam ein
Gästehaus. Fünf Jahre war das Paar zusammen, bevor sie heirateten.
Damals hatte Buapin schon eine Tochter aus einer früheren Beziehung.
Das gemeinsame Leben und Arbeiten schweißte das Paar weiter zusammen,
dennoch fiel Buapin Samenfink die Entscheidung, mit ihrem Freund nach
Deutschland zu gehen, nicht leicht – obwohl sie schon einmal drei Monate
dort gewesen war und seine Familie und Freunde kennengelernt hatte: „Er
musste mich erst davon überzeugen.“
Ein Grund für den Umzug ins ferne Deutschland war, dass ihr Schwiegervater gesundheitlich
angeschlagen war. Ein anderer war die Tatsache, dass sie schwanger war.
„Wir kamen an einem Rosenmontag in Goldscheuer an“, denkt Buapin
Samenfink zurück. Bei den Eltern von Bernd Samenfink war gerade die
„Groß‘ Herd von Goldscheuer“ zum traditionellen Eierbetteln zu Besuch.
Ihre künftige Schwiegermutter schenkte Schnaps aus. „Alle hatten die
Gesichter schwarz angemalt“, so Buapin Samenfink. Für ihre 13-jährige
Tochter ein unvergesslicher Anblick. „Sie sagte: ‚Hoppla, ich dachte,
die Menschen in Deutschland sind weiß‘“, erzählt die 56-Jährige mit
einem Lächeln.
Das war 1994, zwei Jahre später eröffneten Buapin und Bernd Samenfink ein Geschäft, in dem sie thailändische Lebensmittel verkaufen. „Damals befand es sich noch in der Tullastraße in
Goldscheuer. Ich fuhr immer mit dem Rad dorthin, auch im Winter. Das
härtet ab“, sagt sie. Das Geschäft befindet sich heute in der
Römerstraße und wurde um einen Imbiss, in dem es original-thailändische
Küche gibt, erweitert. „Immer wenn ich zu einem Büfett einlade, kommen
meine Freunde und Bekannten zu uns.“
„Die Menschen waren von Anfang an nett zu mir“, berichtet Buapin Samenfink von ihrer Erfahrung. Es gefällt ihr, in einem Dorf wie Goldscheuer zu leben, Sehnsucht nach
der großen Stadt hat sie nicht. „Mein Heimatort war auch nicht groß, ich
mag es, wenn es nicht zu viele Menschen sind.“ Außerdem liebt sie ihren
Garten, in dem sie Blumen und auch exotische Früchte anbaut. Ein
Unterschied zu Thailand: „Die Nachbarn dort sind mehr um einen, hier ist
man etwas öfter allein.“ Aber auch das ist etwas, dass sie schätzt.
Ihr Sohn ist heute 21 Jahre alt und sie sagt lächelnd: „Er ist Deutscher.
Er spricht auch kaum Thai.“ Sie selbst findet, dass sie in die
Dorfgemeinschaft und das Leben in Deutschland hineingewachsen ist. Sie
hat sowohl thailändische als auch deutsche Freundinnen und einen großen
Bekanntenkreis. Nur in einem Punkt wird sie ihre Heimat nicht hinter
sich lassen: Sie kocht meist Gerichte aus Thailand und nur selten
typisch deutsche Gerichte. „Mein Mann isst aber auch gerne thailändisch.
Er mag mein Heimatland und dessen Kultur.“
Die erste Zeit im Hanauerland brachte viele Neuerungen: Sie sprach kein Wort Deutsch und
musste die Sprache erst einmal lernen. „Ich habe Deutsch nicht in der
Schule gelernt, ich spreche es etwas und verstehe es, aber ich finde, es
ist eine schwierige Sprache. In der ersten Zeit habe ich Thailand sehr
vermisst und wollte immer zurück“, erinnert sie sich. „Aber ich hatte
den Entschluss gefasst, nach Deutschland zu gehen und habe versucht,
nicht mehr an zu Hause zu denken.“ Seitdem ist viel Zeit vergangen und
sie ist in ihrer neuen Heimat angekommen. „Deutschland ist schön, ich
lebe gerne hier. Es ist besser als Thailand“, sagt sie heute.
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