Toni Vetrano vor Ende der Amtszeit
Wo ein Kapitel endet, beginnt ein neues
Kehl. "Im Frühjahr vergangenen Jahres habe ich eines Tages in den Spiegel geschaut und mich gefragt: Will ich das weitere acht Jahre machen?", blickt Toni Vetrano zurück. Den Ausschlag geben neben gesundheitlich Gründen auch das Wissen, über 35 Jahre viel Zeit in die verschiedenen beruflichen Stationen investiert zu haben. Daher verkündet der 58-Jährige im April vor einem Jahr, nicht für eine zweite Amtszeit als Oberbürgermeister der Stadt Kehl zu kandidieren. So endet sein Dienst in einer Woche und Wolfram Britz tritt die Nachfolge an.
Vetrano ist gebürtiger Sizilianer und kommt im Alter von einem Jahr nach Deutschland. Die familiäre Verbindung und die durch Besuche gewachsenen Freundschaften ins südliche Italien sind geblieben. "Wer mit zwei Kulturen aufwächst, bei dem ist die interkulturelle Kompetenz automatisch ausgeprägt", weiß Vetrano diese Erfahrung zu schätzen und er ergänzt: "Frankreich und das Elsass als weitere Kultur zu erleben, ist für mich ein Highlight."
Aufgewachsen ist Vetrano in einer der Offenburger Spinnerei-Wohnungen, einem Arbeiterviertel. Neben dem Besuch der Georg-Monsch-Schule gehört zu seinem Pensum Unterricht in der Sprache seiner Eltern. Dazu kommt Sport in Vereinen und Musik mit Gitarre und Saxophon. Vetrano wechselt nach der Mittleren Reife auf das Wirtschaftsgymnasium und schließt dies mit dem Abitur ab. Sozialarbeit oder Betriebswirtschaftslehre? Seine Frage zur beruflichen Zukunft beantwortet er damals so: Er studiert Diplom-Sozialarbeiter an der Fachhochschule. Von 1990 bis 2001 ist er beim Landratsamt Ortenaukreis beim Jugendamt beschäftigt, lernt dort auch die Außenstellen in Achern, Wolfach und Kehl kennen und absolviert berufsbegleitend eine Weiterbildung zum Betriebswirt an einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie. Eine Kandidatur 1994 für den Offenburger Gemeinderat scheitert, fünf Jahre später zieht er doch ins Stadtparlament ein.
Mit zwei Kulturen groß geworden
Aufgrund eines, wie Vetrano es umschreibt, Schlüsselerlebnisses, auf das er nicht näher eingehen möchte, im Jahr 2000 entscheidet sich Vetrano fürs Rathaus als zukünftiges Tätigkeitsfeld. Er kandidiert für das Amt des Bürgermeisters in Hornberg – und verliert gegen Siegfried Scheffold. Wahlkampf, das lernt Vetrano für die Zukunft, "ist wie eine Ausbildung zum eigenen Unternehmer." Man muss viele Entscheidungen binnen kurzer Zeit treffen, lernt ebenso schnell die Facetten und handelnden Personen einer Gemeinde kennen, die bei Feuerwehr, Vereinen, Unternehmen aktiv sind. Dazu den Bürgern Glaubwürdigkeit in diesem kurzen Zeitraum zu vermitteln, wird für ihn entscheidend, um in einer Persönlichkeitswahl erfolgreich zu sein. Vetrano nimmt ein Jahr später einen neuen Anlauf in Durbach. Er ist erfolgreich und wird 2009 im Amt bestätigt.
In der "Mitte der zweiten Amtsperiode fing ich an zu überlegen, ob ich etwas anderes probieren möchte". Er kommt zu dem Schluss: "Eigentlich traue ich mir mehr zu." Dazu passt 2013 die Nachricht, dass Kehls OB Günther Petry nicht wieder antritt. Vetrano holt sich Rat bei der Familie, Ehefrau Claudia und den Kindern Marcel, Christina und Julia sowie anderen Vertrauten.
Zu den zahlreichen Bausteinen auf seinem politischen Weg gehören auch Vorstandsarbeit im CDU-Stadt- und Kreisverband sowie seine Tätigkeit als Kreisrat. "Ich habe bei jeder Station mein politisches Netzwerk nicht erneuert, sondern erweitert", greift Vetrano auf viele Erfahrungen zurück. Mit überzeugenden fast 83 Prozent wird er 2014 Chef im Rathaus Kehl.
"Wer in Kehl Oberbürgermeister ist, darf Straßburg nicht ausblenden", sagt Vetrano und erlebt die Treffen mit seinen Straßburger Amtskollegen Roland Ries und Jeanne Barseghian immer auf Augenhöhe. Vetrano sagt später: "In meiner ersten Amtszeit habe ich viele Projekte meines Vorgängers umgesetzt, in einer zweiten hätte ich selber mehr gestalten können." Dazu kommt es jetzt nicht. Stattdessen wird Vetrano seine gesamte Erfahrungen als Berater für systemische Organisationsberatung und -entwicklung einsetzen. "Man muss auch einen Plan haben, um ihn vielleicht verwerfen zu können" – schließt Vetrano ein Kapitel und beginnt ein neues.
Rembert Graf Kerssenbrock
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