Angedacht: Roland Kusterer
Gemeinsamkeiten von Juden und Christen
Wenn mich einer fragen würde, was kurz zusammengefasst der Kern der christlichen Botschaft ist, dann würde ich ihn auf das höchste Gebot hinweisen, das sogenannte Doppelgebot der Liebe, so wie Jesus es auch getan hat.
Die Evangelisten Matthäus (22,35-40), Markus (12,28-34) und Lukas (10,25-28) haben erzählt, was Jesus einem Mann antwortet, der ihn fragt, welches von den vielen Geboten das wichtigste ist. Und was Jesus da sagt, ist nichts Neues, sondern er erinnert hier nur an das, was jedes jüdische Kind schon kennt: das jüdische Glaubensbekenntnis. „Höre Israel, der Herr unser Gott, ist der einzige Gott, und du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft“ (5. Mose 6,4-5). Und Jesus fügte dann noch hinzu: „Das andere ist genauso wichtig: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. ( 3. Mose 3 19,18). Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“
Wenn diese Sätze an diesem sogenannten Israelsonntag in den christlichen Kirchen als Evangelium vorgelesen werden und über sie gepredigt wird, dann werden wir wieder einmal daran erinnert, wie eng der christliche mit dem jüdischen Glauben verbunden ist. Das Glaubensbekenntnis des Volkes Israel und die Kernsätze der jüdischen Tora – fünf Bücher Mose – sind auch Kernsätze des christlichen Glaubens. Wer verkennt, dass im Zentrum des christlichen Glaubens und der Kirche ein Sohn des jüdischen Volkes, nämlich Jesus von Nazareth steht, der verfehlt auch das Zentrum der christlichen Botschaft. Christen- und Judentum sind so eng miteinander verbunden, dass der christliche Glaube nicht ohne das jüdische Erbe zu verstehen ist.
Leider ist es in vergangener Zeit wieder öfter passiert, dass in Deutschland jüdische Menschen auf offener Straße von muslimischen Fanatikern oder von Nationalisten und Rechtsradikalen beschimpft, bedroht, geschlagen und bespuckt wurden. Die Schrecken der deutschen Vergangenheit mahnen uns: Solche Vorkommnisse dürfen nicht ungesühnt bleiben. Wir dürfen nicht wegsehen und dazu nicht schweigen. Wehret den Anfängen!
Wer bei uns jüdische Menschen angreift, der greift uns Christen an. In diesem Punkt müssen wir Christen Flagge zeigen und solidarisch sein, auch wenn wir mit der Politik der Regierung des Staates Israel nicht einverstanden sein sollten – aber das sind viele jüdische Mitmenschen auch nicht.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Israelsonntag und eine gute Woche.
Pfarrer Roland Kusterer, Evangelisches Pfarramt Oberkirch
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