Neujahrsempfang der Stadt Kehl
Zwei Auszeichnungen mit Bürgermedaille
Kehl Alban Meier und Friedrich Peter sind beim Neujahrsempfang der Stadt Kehl am Montag, 8. Januar, mit der Bürgermedaille in Gold ausgezeichnet worden: Der Pfarrer im Ruhestand Alban Meier als Brückenbauer mit herausragender Integrationskraft, Friedrich Peter als ehemaliger Geschichtslehrer, der die Erinnerungs- und Gedenkkultur der Stadt entscheidend mitgeprägt hat. Oberbürgermeister Wolfram Britz wünschte sich in seiner Neujahrsrede für Kehl, „dass wir dem Schwarzsehen, Jammern und Klagen mutig entschiedene Hoffnung entgegensetzen“. Aus Straßburg sind Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian und Pia Imbs, die Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, zum Neujahrsempfang gekommen und haben Grußworte an die rund 500 Gäste in der Stadthalle gerichtet.
Würdigung Alban Meiers
Als Alban Meier 1967 nach Kehl kam, wurde er Pfarrer einer neuen Kirchengemeinde in einem sich gerade erst bildenden Stadtteil im Niedereichwinkel. Viele der Menschen, die sich in den neuen Wohnblocks und Mehrfamilienhäusern ansiedelten, wurden als Arbeitskräfte vor allem in den Großbetrieben im Hafen dringend gebraucht. „Alban Meier findet hier eine Aufgabe, die ihm auf den Leib geschrieben ist“, berichtete Wolfram Britz: Er vermittelte zwischen den Neuankömmlingen und Alteingesessenen, zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und Nationalität.
Der junge Pfarrer sei für sie der Fels in der Brandung gewesen, ein Lotse in der noch fremden Heimat, „der eine fast selbstverständliche Integrationskraft entfaltete – sozusagen der erste Integrationsmanager der Stadt Kehl“, sagte der OB. Er integrierte Laien in die Gemeindearbeit in Sankt Maria und begründete eine Gemeinschaft, die auch auf Angehörige anderer Religionen – oder Menschen, die sonst nichts mit Kirche anfangen konnten – Anziehungskraft ausübte. Alban Meier sei „die treibende Kraft für die Ökumene in Kehl“ gewesen, sagt Wolfram Britz, „und grenzüberschreitend sowieso“. Er erinnert an die ökumenischen Gottesdienste zum Messdi oder vor dem Fastnachtsumzug, bei den Rheinfesten oder der Gartenschau.
Alban Meier habe menschliches Leid und tiefe soziale Not wahrgenommen „und handelt und macht“. Als Beispiele dafür nennt OB Britz die Gründung des Vereins Huckepack, der sozial benachteiligte Kinder fördere und zu ihrer Integration beitrage, die Gründung der kirchlichen Sozialstation Kehl-Hanauerland sowie die Einrichtung des integrativen Kindergartens Sankt Raphael – immer war Alban Meier Initiator oder Mitgründer. Alban Meier habe die Kehler Nachkriegsgeschichte mitgeschrieben und das soziale Gewissen der Stadt nachhaltig geprägt, brachte der OB die hervorragenden Verdienste des dienstältesten Kehler Pfarrers auf den Punkt, bevor er ihm die Bürgermedaille in Gold überreichte.
„Alles, was ich in Kehl bewirken konnte, ist durch das Engagement und die kreative Mitarbeit vieler Menschen entstanden“, erklärte Alban Meier anschließend in seiner emotionalen Dankesrede. Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit habe ihn viele Freunde finden lassen. Besonders bedankte sich der Pfarrer bei Gott und seiner Frau, die ihm beide Kraft gegeben hätten.
Als Pax-Christi-Beauftragter für die Ortenau teilte Alban Meier auch das Anliegen des zweiten Geehrten beim Neujahrsempfang: Friedrich Peter engagiert sich seit mehr als 40 Jahren dafür, „das dunkelste Kapitel in der Geschichte unserer Stadt aufzuarbeiten und in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen“, leitete Wolfram Britz zu zweiten Laudatio über.
Würdigung Friedrich Peters
Friedrich Peter habe bereits Ende der 1970er-Jahre begonnen, ehemalige Kehler jüdischen Glaubens in der ganzen Welt aufzuspüren, um die jüdische Geschichte der Stadt zu dokumentieren und diese als Geschichtslehrer an Generationen von Schüler weiterzugeben. „Ihnen vor allem ist es zu verdanken, dass die Stadt mehrfach Überlebende des Holocaust – oder ihre Nachkommen – einladen konnte“, berichtete der OB. Der frühere Kehler Oberbürgermeister, Dr. Günther Petry, habe Friedrich Peter federführend die Organisation des Zusammentreffens von 16 ehemaligen jüdischen Mitbürgern 2001 in Kehl übertragen.
Diese intensive Begegnung mit der Vergangenheit sei auch für die Gastgeber sehr aufwühlend gewesen und habe die Erinnerungs- und Gedenkkultur in der Stadt entscheidend geprägt – „und daran haben Sie, Herr Peter, einen wichtigen Anteil“, sagte Wolfram Britz.
Friedrich Peter habe vor und nach diesem Ereignis viel Zeit investiert, um die Kontakte zu ehemaligen jüdischen Kehlern zu pflegen und zu intensivieren. Seine Schriftwechsel sowie eine Vielzahl von Bildern und Dokumenten habe er sorgfältig aufbewahrt und schließlich an Archiv- und Museumsleiterin Dr. Ute Scherb übergeben. „Mit den Dokumenten aus Ihrem persönlichen Besitz haben Sie den Grundstein für eine wertvolle Sammlung gelegt, die auch künftigen Generationen die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen in unserer Stadt ermöglichen wird“, würdigte Wolfram Britz die besonderen Verdienste von Friedrich Peter, der auch nach mehr als 40 Jahren in seinem Engagement nicht nachlasse: Er sei aktives Mitglied des Arbeitskreises 27. Januar, der die Verlegung der Stolpersteine in Kehl organisiere und pflege einen intensiven Kontakt zur jüdischen Gemeinde Straßburg und zum Verein Stolpersteine 67.
Während seiner Dankesrede schlug Friedrich Peter bescheiden in eine ähnliche Kerbe wie Alban Meier und betonte, dass er bei vielen Projekten vielleicht der Initiator gewesen sei, ihm jedoch viele Menschen auf seinem Weg geholfen hätten. Er erwähnte auch den früheren Stadtarchivaren Hartmut Stüwe, seine Nachfolgerin Ute Scherb sowie den ehemaligen Oberbürgermeister Günther Petry und bedankte sich bei der Stadt Kehl: „Die Stadt hat immer einen offenen Geist gegenüber der Erinnerungskultur gezeigt“, lobte er.
Straßburger Grußworte
Neben den beiden mit der Bürgermedaille Ausgezeichneten Kehlern, waren als Ehrengäste auch die Straßburger Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian sowie die Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, Pia Imbs in der Stadthalle geladen. Die Französinnen haben in deutscher Sprache Grußworte an das Publikum gerichtet. Die Straßburger Amtskollegin von Wolfram Britz, Jeanne Barseghian blickte auf die vergangenen gemeinsamen Projekte der Nachbarstädte Kehl und Straßburg wie die grenzüberschreitende Wärmegesellschaft Calorie und den dritten Ort KaleidosCoop zurück Außerdem gab sie einen Ausblick auf die weitere Zusammenarbeit im Jahr 2024. „In diesem Jahr wünsche ich mir besonders, dass die grenzüberschreitende Einheit und Verständigung wie Leuchttürmein unserem Alltag erstrahlen, als Gegenpol zur Abschottung und dem Misstrauen gegenüber Anderen“.
Auch die Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg äußerte in ihrer Ansprache den Wunsch, dass die Zusammenarbeit zwischen der Eurometropole und der Stadt Kehl im Jahr 2024 weiter vertieft werden kann. Sie betonte in diesem Zuge die Wichtigkeit der grenzüberschreitenden Tram in der Metropolregion: „Sie ist unsere Lebensader, die Freunde und Familien zusammenbringt“. Sie sei sie mehr als nur eine Straßenbahn, erklärte Pia Imbs.
In seiner Neujahrsansprache ging Oberbürgermeister auf die beiden Friedensfahnen ein, die seit dem Volkstrauertag (19. November) vor dem Rathaus wehen und machte die aufgedruckten Werte – Menschenwürde, Freiheit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Respekt – zum Leitfaden seiner Rede. Er rief dazu auf – nach dem Beispiel von Alban Meier – den Kontakt und den Dialog mit Andersdenkenden, aber auch mit Geflüchteten zu suchen, die in Kehl lebten oder noch nach Kehl kämen. Auf diese Weise ließen sich viele Dinge regeln, bevor sie zum Problem werden könnten.
Er stellte dar, „dass es uns gut geht in Kehl: Wir leben nicht nur in Frieden und Freiheit, sondern auch im Wohlstand“. Die Stadt könne sich zusätzlich zur Sanierung und der Digitalisierung der Schullandschaft mit einem Investitionsvolumen von rund 30 Millionen Euro, den Neu-, Aus- und Umbau von Kindertageseinrichtungen leisten und noch dazu ein neues kombiniertes Hallen- und Freibad für rund 45 Millionen Euro bauen.
Parallel dazu habe die Stadt die Aufnahme des Bereichs von der Stadthalle bis zum Hanauer Museum ins Städtebauförderprogramm beantragt – auch hier sollen 14 Millionen Euro für die Umgestaltung der Hauptstraße und den Bau eines dringend notwendigen Verwaltungsgebäudes auf dem Rathausareal ausgegeben werden.
Wolfram Britz ging auch auf den Wunsch der Interessengemeinschaft Kehl-Kernstadt nach einem Ortschaftsrat ein und sagte zu, dass die Verwaltung schon bald Vorschläge zu Beteiligungsmodellen machen werde.
Wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Weihnachten forderte er Kehler auf: „Arbeiten Sie mit, damit besser wird, was noch nicht gut ist, lassen Sie uns das Gemeinsame über das Trennende stellen.“ Und schloss: „Wir haben allen Grund zur Hoffnung, wenn wir auf das setzen, was allein Zukunft möglich macht: Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt.“
Umrahmt wurden die Feierlichkeiten an diesem Abend von dem Freiburger Kabarettisten Mathias Deutschmann der während seines Auftritts nur lobende Worte für die Stadt Kehl und seinen Oberbürgermeister fand. In Richtung des OBs sagte er im Anschluss an dessen Neujahrsansprache: „So eine Rede hätte ich vom Niveau her auch in Freiburg hören können“. Außerdem merkte er an, dass man Europa nirgendwo so nahe sei als in Kehl. Für die musikalische Untermalung sorgten die Band Café Flore sowie der junge Pianist Robin Kersic der auf dem Klavier Interpretationen der Musikstücke Mamma Mia und Fly me tot he Moon vorführte.
Von Kehl über Kork nach New York hieß es, als die beiden ehemaligen Kehler Phillip Jedicke, der heute als Filmregisseur arbeitet und der ZDF Moderator Uli Kunz in einem eingespielten Video für eine kleine Überraschung sorgten. Kurz bevor Wolfram Britz gemeinsam mit den beiden mit der Bürgermedaille geehrten Alban Meier und Friedrich Peter die Neujahrsbrezel anschnitt, wünschten sie allen Gästen noch eine schöne Feier und ein gutes Jahr 2024.
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