Grenzporträts
Was macht den rheinübergreifenden Lebensraum aus?
Kehl (st). Vier Millionen Fahrgäste fahren in der Vor-Corona-Zeit mit der Tram in einem Jahr über den Rhein. Kinder und Jugendliche aus Kehl besuchen Schulen in Straßburg und umgekehrt. Arbeitnehmer überqueren täglich den Fluss, man kauft auf der anderen Rheinseite ein oder besucht dort Kulturveranstaltungen. Familiäre und freundschaftliche Bindungen sowie Liebesbeziehungen bestehen über den Rhein hinweg. Aber was macht für die Menschen diesen rheinübergreifenden Lebensraum aus? Warum leben sie gerne dort oder sind bewusst hierhergezogen? Diesen Fragen geht eine Gruppe von 15 Studierenden der Hochschule Kehl nach und präsentiert erste Ergebnisse in Form von Grenzportraits, die an dieser Stelle in loser Folge veröffentlicht werden. Heute: Ananda Mackulau aus Kehl.
„Ich finde es unglaublich schön, hier zweisprachig Leben zu können“
„Es hat sich sofort angefühlt, wie nach Hause zu kommen“, beschreibt Ananda Mackulau ihren Umzug nach Kehl im Jahr 2019. Die gebürtige Indonesierin hat schon in vielen verschiedenen Orten und Ländern gewohnt, doch in der deutsch-französischen Grenzregion spürt sie eine Vertrautheit, die ihr Herz erwärmt. Dabei war die Entscheidung, nach Kehl zu ziehen, rein rationaler Natur. Denn ihr indonesischer Ehemann spricht Deutsch, während Ananda Mackulau einen französischsprachigen Bildungsweg eingeschlagen hatte. Als ihr Mann ein Jobangebot in Kehl erhielt, musste das Ehepaar nicht lange nachdenken. Denn dort können beide den großen Vorteil der Grenznähe nutzen und in ihrer jeweiligen Zweitsprache Karriere machen.
In Indonesien hatte Ananda Mackulau französische Linguistik studiert und war für ihren ersten Masterabschluss 2007 nach Dijon gezogen. Dann ging sie zurück in ihre Heimat und arbeitete in der französischen Botschaft in Jakarta. Für ihren zweiten Masterabschluss reiste sie wieder nach Frankreich, diesmal nach Toulouse, wo sie ihren Ehemann traf. Ihr Master-Studium im Bereich „Internationale Beziehungen und Kommunikation“ ermöglichte es ihr, Paris und Straßburg kennen zu lernen. Daher kannte sie ihre jetzige Nachbarstadt bereits vor ihrem Umzug nach Kehl. „Mein Lieblingsort in Straßburg ist und war schon immer die Stadtmitte“, erzählt Ananda Mackulau und listet auf: „Es gibt dort so viele Plätze zum Essen und Trinken, die Innenstadt ist einfach wunderschön und ich liebe den Weihnachtsmarkt“. Ihren Lieblingsort in Kehl kann sie ebenfalls ohne Zögern nennen: die Passerelle des deux Rives. Dort geht sie sehr oft mit ihrem Sohn spazieren.
Zweisprachigkeit große Erleichterung
Deutsch spricht die junge Mutter laut ihrer Aussage nur sehr limitiert. Von 2016 bis 2019 hatte sie mit ihrem Mann in Jena gelebt und einige Grundlagen gelernt. Doch sie fühlte sich dort nicht wie Zuhause, es kam ihr sehr fremd vor. Als das Jobangebot für ihren Mann aus Kehl kam, freute sie sich sehr, wieder französisch leben zu können, wie sie es gewohnt war. Bald möchte sie wieder anfangen zu arbeiten und hofft, dass Straßburg ihr viele Karrieremöglichkeiten eröffnet.
„Die Grenznähe macht Kehl zu einer sehr internationalen Stadt“ sagt Ananda Mackulau. Gerade die Zweisprachigkeit ist für sie eine große Freude und Erleichterung. „Sogar im Supermarkt sprechen die Kassierer Französisch“, staunt sie, denn diese Mischung der beiden benachbarten Kulturen hatte sie so bisher noch nicht erlebt. „Ich finde es unglaublich schön, hier zweisprachig leben zu können“, gibt sie zu. Schon immer war Sprache für Ananda Mackulau ein sehr wichtiger Bestandteil des Zusammenlebens.
Interkulturelles Leben
Doch nicht nur die Sprachvielfalt, sondern auch die positive Einstellung der Menschen, was die Kultur angeht, ist Ananda Mackulau aufgefallen. Seit sie in Kehl wohnt, beobachtet die gebürtige Indonesierin die Art und Weise, wie die Menschen zusammenleben. Sie hat festgestellt, dass die Kulturen dort fast vollkommen vermischt sind. „Das Leben ist hier nicht deutsch auf der einen und französisch auf der anderen Rheinseite, sondern deutsch-französisch“, fasst sie zusammen. Sie liebt das internationale und interkulturelle Leben. So ist sie auch immer wieder von der Tram fasziniert, welche die Menschen in den beiden Ländern verbindet.
Eine weitere Verbindung sieht Ananda Mackulau im kulturellen Austausch. Beispielsweise erinnert sie sich an kleine Konzerte im Rosengarten, welche sie sich zukünftig auch sehr gut mit wechselnden internationalen Gruppen vorstellen könnte. „Solche Projekte bringen die Menschen näher zusammen“, ist sie sich sicher.
Zusammenfassend bietet der grenzüberschreitende Raum alles, was sich Ananda Mackulau für ihre Familie wünscht und damit eine sehr vielversprechende Zukunft.
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