Nach Tod eines Mannes aufgrund SEK-Einsatzes
Verfahren ist eingestellt
Offenburg/Kehl (st). Die Staatsanwaltschaft Offenburg hat das nach dem Tod eines Mannes nach einem Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei Baden-Württemberg geführte Ermittlungsverfahren eingestellt, weil ein strafbares Verhalten der eingesetzten Beamten im Rahmen der durchgeführten umfangreichen Ermittlungen nicht festgestellt werden konnte, so die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung.
Ein 53-jähriger, aus Afghanistan stammender Mann war am 25. Oktober im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung in seiner Wohnung in Kehl von mehreren Schüssen aus den Dienstwaffen von zwei eingesetzten Beamten getroffen worden und unmittelbar im Anschluss verstorben. Gegen die die Schüsse abgebenden Beamten bestand daher der Anfangsverdacht des Totschlags. Dieser Verdacht habe sich durch die Ermittlungen allerdings nicht bestätigt.
Die Rekonstruktion des Ablaufs
Die Ermittlungen, in deren Rahmen unter anderem auf ein von den Beamten gefertigtes Video des Einsatzes zurückgegriffen werden konnte, haben folgenden Ablauf der Geschehnisse ergeben: Der 53-Jährige, der sich zuvor bereits wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung befunden hatte, hatte sich nach Eintreffen der Polizei in seiner Wohnung verschanzt, nachdem er zuvor in der Öffentlichkeit von verschiedenen Personen mit einem Messer beobachtet worden war, mit dem er unter anderem Stichbewegungen ausführte.
Versuche der Kontaktaufnahme mit dem Mann, die auch unter Beteiligung von Verwandten stattfanden, scheiterten. Für die vor der Wohnung positionierten Beamten war dabei erkennbar, dass der Mann ein Messer in der Hand hielt und selbst eine blutende Wunde an der Hand hatte. Nach mehreren Stunden erließ der sich persönlich vor Ort befindliche Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts Offenburg einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Mannes auf Grundlage des Polizeigesetzes des Landes Baden-Württemberg wegen Eigen- und Fremdgefährdung. Dem vorausgegangen war die Anhörung eines behandelnden Arztes des Mannes, welcher ein Eingreifen insbesondere wegen der bestehenden Fremdgefährdung für erforderlich erachtete.
Amtsrichter erlässt Durchsuchungsbeschluss
Nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses erhielt das SEK den Einsatzbefehl zum Zugriff auf die Wohnung, welche sodann von insgesamt elf Beamten betreten wurde. Die Beamten trafen an einer unübersichtlichen und engen Stelle der Wohnung schließlich auf den Mann, der ein Messer mit einer Klingenlänge von 19 Zentimetern in der Hand hielt und auf die Ansprache der Beamten nicht reagierte. Versuche, den 53-Jährigen mittels eines Tasergerätes durch Elektroschock sowie eines Schlagstockes außer Gefecht zu setzen, scheiterten, ohne dass der Mann hierauf eine maßgebliche Reaktion zeigte. Sodann schwang der Mann das von ihm gehaltene Messer unvermittelt in Richtung eines der SEK-Beamten, wobei er diesen nicht ausschließbar streifte. Daraufhin entschloss sich ein als Sicherungsschütze eingeteilter weiterer Beamter, den Mann durch Schusswaffeneinsatz außer Gefecht zu setzen, um ihn von weiteren Angriffen auf seinen Kollegen abzuhalten.
Zu diesem Zweck gab er vier gezielte Schüsse auf den 53-Jährigen ab, von denen einer geeignet war, dessen Tod herbeizuführen. In der Folge stürzte der Mann nach vorne auf zwei Beamte zu. Einer dieser Beamten gab daraufhin einen weiteren Schuss auf den Getöteten ab, weil er davon ausging, dass er den Angriff auf die Beamten fortsetzte. Auch dieser Schuss war für sich genommen geeignet, den Tod des Mannes herbeizuführen. Zu diesem Zeitpunkt war der Getötete aufgrund der zuvor abgegebenen Schüsse bereits handlungsunfähig, was für den Beamten, der den weiteren Schuss abgab, jedoch nicht erkennbar war. Welcher der beiden potenziell tödlichen Schüsse letztlich den Tod herbeiführte, konnte im Rahmen der durchgeführten Obduktion nicht festgestellt werden.
Verhältnismäßigkeit und Berufung auf Notwehrrecht
Unabhängig von Fragen der Ursächlichkeit der jeweiligen Schüsse für den Tod des Mannes und der Frage, ob die Beamten mit Tötungsvorsatz handelten, war das Verfahren einzustellen, weil die beschuldigten Beamten nicht rechtswidrig handelten, da sie sich auf ihr Notwehrrecht berufen konnten. Die Ermittlungen haben dabei insbesondere ergeben, dass die Entscheidung zum Zugriff auf die Wohnung nicht vorschnell erfolgte, sondern nach sorgfältiger Abwägung und Einholung einer richterlichen Entscheidung, wodurch die Beamten zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt waren.
Auch das weitere, gestufte Verhalten der SEK-Beamten entsprach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich waren die Beamten, nachdem einer von ihnen von dem Mann mit dem Messer angegriffen worden war, zur Abgabe von Schüssen aufgrund der nunmehr bestehenden Notwehrlage berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht insoweit insbesondere die Berechtigung, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Ebenso bestand aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse und des plötzlichen aggressiven Verhaltens des Mannes nicht die Möglichkeit für die Beamten, sich dem Messerangriff durch einen Rückzug zu entziehen. Schließlich handelte auch der den letzten Schuss abgebende Beamte trotz der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Handlungsunfähigkeit des Getöteten nicht rechtswidrig, da er aufgrund des sich in Sekundenbruchteilen abspielenden Geschehens nicht erkennen konnte, dass der Angriff zu diesem Zeitpunkt aufgrund der eingetretenen Handlungsunfähigkeit bereits beendet war.
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