Artenreiche Biotope bieten Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten
Stadt Kehl gibt Tipps zum fachgerechten Baumschnitt auf Streuobstwiesen

Gemeinsam schneiden Markus Herrel (links) und Hansjörg Haas den Obstbaum zurück. | Foto: Stadt Kehl
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  • Gemeinsam schneiden Markus Herrel (links) und Hansjörg Haas den Obstbaum zurück.
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Kehl (st). Sie tragen wohlklingende Namen wie „Rheinischer Bohnapfel“, "Nägelesbirne“ oder „Boskoop“ und sind dazu bestimmt, mit ihren feinen Aromen in Flaschen und Gläser abgefüllt zu werden: Gemeint sind alte und selten gewordene Obstsorten, die in Marlen angebaut werden – auf einer Streuobstwiese, die zahlreichen Arten Lebensraum bietet. Worauf beim Schnitt der Bäume in diesem vom Aussterben bedrohten Biotop zu achten ist, das wurde Obstbauer Markus Herrel am Montagmorgen, 31. Juli, im Rahmen einer Förderung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) erklärt.
 
Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas: Schätzungsweise 5.000 Tier- und Pflanzenarten sind im Lebensraum Streuobstwiese beheimatet. Typische Bewohner sind Vögel wie Steinkauz, Grünspecht, Halsbandschnäpper oder Gartenrotschwanz, doch auch Siebenschläfer, Igel, Amphibien, Reptilien und viele Insekten und Spinnen sind dort zu Hause. Auch Bienenvölker werden von Imkern gerne neben einer Streuobstwiese angesiedelt – Honig ist neben all dem Obst also ebenfalls ein typisches Streuobstwiesenprodukt.

Trotz ihrer zahlreichen Vorteile sind Streuobstwiesen stark gefährdet, denn im Vergleich zur Plantagen-Obsternte ist die Ernte auf der Streuobstwiese wesentlich mühseliger. Dazu kommt, dass die verschiedenen Sorten zu unterschiedlichen Zeiten reifen – Obstbauern müssen ihre Ernte also in mehreren Gängen einholen.

Der Streuobstbau wurde daher lange Zeit als betriebswirtschaftlich unrentabel eingestuft. Damit die Streuobstwiesen dennoch erhalten bleiben, unterstützt das Land Baden-Württemberg Landwirte, Verbände und Privatpersonen dabei, ihre Streuobstbestände zu bewirtschaften. Fördergelder für den fachgerechten Schnitt an Streuobstbäumen sollen dabei helfen, den Pflegezustand der Bäume zu verbessern und außerdem den hohen Pflegeaufwand honorieren, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Kehl. Für das Förderprogramm, dass Besitzer von Streuobstbäumen insgesamt fünf Jahre lang bezuschusst, konnten sich Kehler im Jahr 2014 bei der städtischen Umweltabteilung anmelden, die anschließend einen Sammelantrag beim MLR eingereicht hat. „Mit den Fördermitteln des Landes können wir den fachgerechten Baumschnitt von Kern- und Steinobstbäumen unterstützen“, erklärt Sarah Koschnicke, Mitarbeiterin im Bereich Stadtplanung und Umwelt und zuständig für die Betreuung der städtischen Streuobstwiesen. „Für den Schnitt an Obstbäumen im heimischen Garten gibt es allerdings keine Förderung“, führt sie weiter aus. Dasselbe gelte für Brennkirsch- und Walnussbäume. Zudem müssten die Streuobstbäume in weiträumigen Abstand zueinander stehen, mindestens drei Jahre alt sowie 1,40 Meter hoch sein.

Wichtig sei bei der Obstbaumpflege vor allem der fachgerechte Schnitt, damit die Obstbäume nicht zu früh vergreisen, erläutert Sarah Koschnicke. Zweimal pro Jahr müsse zudem gemäht und das Obst im Herbst geerntet werden. Markus Herrel weiß aus eigener Erfahrung, wie aufwändig und zeitintensiv die Aufrechterhaltung und Pflege seines mehr als hundert Bäume umfassenden Bestandes ist und hat aus diesem Grund neben 34 weiteren Kehlerinnen und Kehlern die Förderung für seine Streuobstwiese beantragt.

„Der richtige Schnitt ist für die Qualität des Obstes sehr wichtig“, weiß Markus Herrel, denn sonst könnten keine neuen Triebe unter dem dichten, schattigen Blätterdach des Baumes wachsen und auch für das richtige Säure-Fruchtzuckerverhältnis im Obst sei ausreichend Sonneneinstrahlung nötig. Der Landwirt im Nebenerwerb verarbeitet das Streuobst zu Edelbränden, weshalb die Qualität der Früchte und das Aroma ihres Geschmacks sehr wichtig seien. Weil es beim fachgerechten Obstbaumschnitt einiges zu beachten gibt, kontrollieren Vertreter des MLR die geförderten Streuobstwiesen und beraten und unterstützen deren Besitzer hinsichtlich ihrer Pflege.

„Obwohl ich die Bäume pflege und jedes Jahr zurückschneide, weiß ich natürlich nicht alles, spezifische Tipps von Fachmännern zu bekommen ist da schon hilfreich“, erklärt Markus Herrel. Er hat die 40 bis 50 Jahre alten Bäume vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen, die Streuobstwiese ist schon seit mehreren Generationen im Familienbesitz. An diesem Montagmorgen geht es den Kontrolleuren vor allem um den Feinschliff, denn Verbesserungsmöglichkeiten gibt es beim Obstbaumschnitt fast immer: „Der fachgerechte Baumschnitt soll die Lebensdauer, die Vitalität und die Stabilität der Streuobstbäume erhöhen“, erklärt Hansjörg Haas vom Landratsamt Ortenaukreis. Er ist für die Kontrolle der geförderten Wiesen zuständig und weiß ganz genau, worauf es beim Obstbaumschnitt ankommt. Ziel sei der „Aufbau eines langfristig stabilen Kronengerüstes und die Entwicklung breiter, gut belichteter und belüfteter Baumkronen“, die sich gut abernten ließen. Dafür habe sich die so genannte Pyramidenkrone bewährt - bestehend aus der Stammverlängerung und einem Grundgerüst aus drei bis vier gut verteilten Leitästen, an denen wiederum Seitenäste und Fruchtholz angeordnet sind. „Das Wachstum muss von innen gefördert werden“, betont Hansjörg Haas. Leider seien viele Streuobstwiesenbesitzer zu zögerlich, wenn es darum gehe, auch die etwas stärkeren Äste des Baumes zu entfernen.

„Wenn man mitten in der Vegetationszeit schneidet und das ganze, fast reife Obst einfach auf den Boden fällt, das tut schon weh“, sagt Markus Herrel, darum könne er verstehen, wenn viele Landwirte die Äste lieber stehen ließen. „Gerade der Sommer ist die ideale Schnittzeit für vergreisende Bäume“, versichert dagegen Hansjörg Haas. Der Baum könne die durch den Schnitt entstandenen Wunden dann besser verkraften und diese gegen Bakterien und Pilze abschotten.

Gemeinsam schneiden Markus Herrel (links) und Hansjörg Haas den Obstbaum zurück. | Foto: Stadt Kehl
Hansjörg Haas (links) erklärt Markus Herrel, welche Äste des Baumes entfernt werden müssen, damit ausreichend Licht auf das Obst und die unteren Triebe fällt. | Foto: Stadt Kehl

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