Minister Hermann besucht Kehl
Mobilität am Oberrhein - was fehlt
Kehl (st) Mobilität – am Oberrhein, über den Rhein hinweg, aber auch kleinräumig in Kehl und im Kehler Hafen – war das große Thema, unter dem der Besuch des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann am Freitag, 4. November, in Kehl stand, so die Stadt Kehl in einer Pressemitteilung. Fast fünf Stunden lang hat sich der Landespolitiker auf Einladung von Oberbürgermeister Wolfram Britz Zeit genommen, um sich mit der Straßburger Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian, Hafendirektor Volker Molz und Vertretern von Unternehmen aus dem Kehler Hafen auszutauschen. Aktiv mit dabei war auch der grüne Landtagsabgeordnete Bernd Mettenleiter.
Es sind die kleinen Verbindungen über den Rhein, die sogenannten Missing Links, die fehlen, waren sich Jeanne Barseghian und Winfried Hermann gleich zu Beginn des Zusammentreffens einig: Diese zu schaffen, wären „die wirklichen Gewinnerprojekte“, sagte der Minister. Oft gehe es nicht mal um zusätzliche Infrastruktur, sondern um eine Verbesserung der Vertaktung und des Fahrplans, ergänzte die Straßburger Oberbürgermeisterin. Zusammen mit anderen Stadtoberhäuptern am Oberrhein, aber auch aus weiteren Grenzregionen, habe Straßburg zu diesem Thema ein Papier erarbeitet. Teil davon soll auch eine Analyse sein, die aufzeigt, auf welchen Verbindungen der Takt verstärkt werden müsse.
Verbindung Offenburg-Straßburg
Für Jeanne Barseghian steht die Verbindung Offenburg-Straßburg mit der Ortenau-S-Bahn weit oben auf der Liste: Sie nutze die Bahn häufig, sie sei immer voll, vor allem auch mit jungen Menschen. Dass der öffentliche Nahverkehr über den Rhein sehr gefragt ist, zeigt für OB Wolfram Britz auch die Auslastung der Tram: Zwar hatten sich durch die Corona-Einschränkungen die Fahrgastzahlen 2020 und 2021 - gegenüber 2019 - halbiert, inzwischen seien die Straßenbahnzüge jedoch wieder gut gefüllt.
Als Oberbürgermeisterin der Europastadt Straßburg wünscht sich Jeanne Barseghian zudem mehr und schnellere Bahnverbindungen in Richtung Karlsruhe und wegen des Europaparlaments vor allem nach Frankfurt. Zentrale Rollen sieht sie hier für die Bahnhöfe in Offenburg und Straßburg: Vom ersteren führen Züge in mehrere Großstädte Europas, letzterer sei das Tor zu ganz Frankreich. Einig waren sich die beiden Grünenpolitiker auch darüber, dass hochkomfortable Busse den Schienenverkehr ergänzen könnten.
Eigentlich brauche es einen Europa-Takt, nicht nur einen Deutschland-Takt, stimmte Minister Hermann Jeanne Barseghian zu und betonte, dass das Land eine Milliarde Euro für den Betrieb des schienengebundenen Nahverkehrs bereitstelle. Bei der Région Grand Est ist ein Paket in Höhe von 350 Millionen Euro vorgesehen.
Klimaneutraler Rheinhafen
Auch Unternehmen wie Klumpp & Müller oder die Papierfabrik Koehler sowie Hafendirektor Volker Molz plagen Probleme in Sachen Mobilität: Zum einen würde es einigen Unternehmen helfen, wenn im Hafengebiet LKW mit 45 Tonnen verkehren dürften – zum Beispiel, wenn Zellstoff für die Papierherstellung vom Verladeterminal von Klumpp & Müller zur Papierfabrik Koehler gebracht wird. Das würde auch zu einer Reduktion von LKW-Abgasen führen, begründete OB Britz, warum er das Anliegen der Unternehmen unterstützt. Gemeinsam mit Hafendirektor Molz verfolgt er das Ziel eines klimaneutralen Rheinhafens.
Große Kopfschmerzen bereitet der Hafenverwaltung und den im Hafen angesiedelten Unternehmen der Umstand, dass die Eisenbahnbrücke über die Kinzig 2026 saniert werden muss. Durch die Bauarbeiten sei diese 20 Monate lang nur einspurig befahrbar – für Koehler bedeute dies den Verlust eines Drittels seines Umsatzes, prognostizierte Dr. Stefan Karrer, Technischer Vorstand der Koehler Gruppe. Für die Badischen Stahlwerke, ist er sich sicher, gelte das Gleiche. Dabei wünschten sich die Firmen im Hafen schon lange ein drittes Gleis. Verkehrsminister Hermann stellte in Aussicht, an einem gut vorbereiteten Gespräch mit der Bahn über den Ablauf der Sanierung und die Möglichkeiten für den Bau eines dritten Gleises teilzunehmen.
Frage nach dem Gleisanschluss
Bei der Entwicklung von Gewerbegebieten stelle sich immer häufiger die Frage nach einem Gleisanschluss, führte Wolfram Britz an und wollte vom Gast aus Stuttgart wissen, wie schnell man vorhandene Gleise revitalisieren oder einen neuen Gleiszugang bekommen könne. Dazu gebe es ein klares Bekenntnis im Koalitionsvertrag, antwortete Winfried Hermann – es gebe eine Menge Schienenanschlüsse, die nicht genutzt würden. Auch die Bahn habe ihre Einstellung hier verändert, berichtete der Minister, der sich neue Technologie auf der Schiene wünscht: „Selbstfahrende Güterwagen zur Zugbildung in Güterbahnhöfen wären viel einfacher als selbstfahrende Autos.“
Ob es eine Möglichkeit gebe, den von Offenburg kommenden Radschnellweg nach Straßburg in Kehl von der Großherzog-Friedrich-Straße bis zur Trambrücke durchs im Besitz des Landes befindliche Rheinvorland zu führen, hat sich OB Britz beim Minister erkundigt. Mit einem separaten Radweg im Garten der zwei Ufer ließen sich auf der schmalen Rheinpromenade Konflikte zwischen den zahlreichen Spaziergängern und Radfahrern vermeiden, sagte er. Auf kurzen Abschnitten könne es Ausnahmen von der für Radschnellwege vorgeschriebenen Breite von vier Metern geben, antwortete Winfried Hermann, ohne freilich eine Zusage machen zu können.
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