Französisch lernen in den Klassen 1 und 2
Keine Ausnahme für Kehl - nur ein Kompromiss
Kehl (st). Nachdem die Landesregierung entschieden hat, den Französisch-Unterricht in den Grundschulen erst im dritten Schuljahr zu beginnen, können Erst- und Zweitklässler in Kehl künftig nur dann noch Französisch lernen, wenn ihre Schule dafür die sogenannten Poolstunden einsetzt. Das ist quasi der Kompromissvorschlag, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann durch den Chef der Staatskanzlei Klaus-Peter Murawski Oberbürgermeister Toni Vetrano übermitteln lässt. Nicht betroffen sind von der neuen Regelung die Klassen, in denen paritätisch in deutscher und französischer Sprache unterrichtet wird.
Mit der Neukonzeption des Unterrichts ab Klasse 3 solle das bisherige Klassenlehrerprinzip durch ein Fachlehrerprinzip mit verlässlichen 45-Minuten-Einheiten abgelöst werden, heißt es in dem Schreiben aus dem Staatsministerium. Damit werde dem Anspruch Rechnung getragen, „dass der Fremdsprachenunterricht möglichst flächendeckend von entsprechend ausgebildeten Lehrkräften erteilt wird“. Dabei soll es sich um Lehrer mit der Ausbildung Europalehramt oder Fremdsprachenstudium handeln. „Hiermit ist ein fachlich hochwertiger und kontinuierlich aufbauend angelegter Unterricht gewährleistet“, schreibt Klaus-Peter Murawski an OB Vetrano.
Die Stunden, die durch die Verschiebung des Fremdsprachenbeginns frei würden, blieben in der Grundschule, versichert der Staatsminister und Chef der Staatskanzlei: „Die Schule entscheidet über den Einsatz dieser Poolstunden.“ Weiter heißt es: „Auch wenn der Förderbedarf von Schülern insbesondere in den Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik vorrangig abgedeckt werden soll, können die Grundschulen dennoch Poolstunden auch für Französisch in den Klassen 1 und 2 einsetzen.“ Damit würden Grundschulen in Kooperation mit bilingualen Kindertageseinrichtungen Brückenangebote für Erst- und Zweitklässler ermöglicht; Grundschulen, die Partnerschaften mit französischen Schulen pflegten, könnten diese fortsetzen.
„Mit Blick auf die enormen Anstrengungen und das außergewöhnliche Engagement unserer französischen Partner, insbesondere der Région Grand Est, beim Erlernen von Deutsch sind wir uns auch unserer besonderen Verantwortung für den frühzeitigen Spracherwerb bewusst. Im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft legen wir sehr großen Wert darauf, dass Schüler am Oberrhein durch einen qualitätsvollen Unterricht bereits in der Grundschule gute sprachliche Fertigkeiten in der französischen Sprache erwerben und geben der nächsten Generation damit das Rüstzeug für ein echtes Miteinander an die Hand“, heißt es wörtlich in dem Schreiben. Für wichtig hält der Chef der Staatskanzlei „das gegenseitige Kennenlernen im Rahmen von grenzüberschreitenden Projekten in der Grundschule“. Gerade die Schulen an der Rheinschiene setzten hier „ganz wichtige Akzente“. Die Kinder und Jugendlichen entwickelten durch zahlreiche Begegnungen und verschiedene Formen der Zusammenarbeit in der Grenzregion „wichtige interkulturelle und soziale Kompetenzen, wodurch partnerschaftliche Beziehungen zu Frankreich schon im Kindesalter wachsen können“.
Oberbürgermeister Toni Vetrano hatte Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann Anfang Juli geschrieben und um den Erhalt des Französisch-Unterrichts in den ersten beiden Grundschulklassen zumindest in Kehl gebeten. Nachdem die Ministerin eine Sonderregelung für Kehl Anfang August ablehnte, unterbreitete Toni Vetrano sein Anliegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der OB hatte den Wunsch nach einer Ausnahmeregelung für Kehl auch mit der grenzüberschreitenden deutsch-französischen Kinderkrippe sowie dem Umstand begründet, dass in allen Kehler Kindergärten zumindest eine Einführung in die französische Sprache stattfinde. Es wäre bedauerlich, wenn die Kinder ihre bereits erworbenen Sprachkenntnisse in den ersten beiden Grundschuljahren wieder vergäßen, hatte er argumentiert.
Trotz der Verschiebung des Fremdsprachenunterrichts auf Klasse 3 bleibe zum einen das angestrebte Sprachniveau am Ende der Klassenstufe 4 am Referenzniveau A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens ausgerichtet, antwortet darauf das Staatsministerium. „Sowohl die sprachwissenschaftlichen Untersuchungen als auch der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigen, dass mit einem Fremdsprachenbeginn ab Klasse 3 bei den zu erreichenden Kompetenzen am Ende der Primarstufe keine Abstriche gemacht werden müssen.“
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