Seit 50 Jahren
Kehls Städtepartnerschaft mit Montmorency
Kehl. 50 Jahre alt wird in diesen Tagen die Partnerschaft zwischen den Städten Kehl und Montmorency vor den Toren von Paris. Zur Feier dieses Ereignisses werden am Freitag, 5. Oktober, Oberbürgermeisterin Michèle Berthy und 20 weitere Gäste aus Montmorency in Kehl erwartet. Das Jubiläum wird mit einem kleinen Festakt begangen; am Samstag werden die Besucher aus der Partnerstadt bei der Eröffnung des HanauerLandMarkts dabei sein.
Ein genaues Datum für dieses Jubiläum ist nicht eindeutig zu identifizieren, denn die Urkunden wurden damals in beiden Städten unterzeichnet und in beiden Städten wurde die neue Partnerschaft ausgiebig gefeiert – zu unterschiedlichen Terminen. In Kehl warteten am 29. September 1968 um 11 Uhr rund 200 Menschen in der Stadthalle gespannt darauf, dass das bereits bestehende freundschaftliche Verhältnis zwischen den Städten Montmorency und Kehl durch die Unterschriften der Bürgermeister Dr. Trutpert Müller und Jacques Rey auf der Partnerschaftsurkunde als offizielle Städtepartnerschaft besiegelt wurde. In Montmorency wiederholte sich eine ähnliche Zeremonie erst Monate später: am 18. Mai 1969. Um der Symbolik willen wurde die Partnerschaftsurkunde auch dort genau um 11 Uhr unterzeichnet.
Dass sich Kehl mit Montmorency partnerschaftlich verbinden wollte, war bereits am 22. Mai 1968 vom Kehler Gemeinderat beschlossen worden – die erste Kontaktaufnahme liegt jedoch noch weiter zurück. 1966 hatte sich die Stadt Kehl bei der Internationalen Bürgermeister-Union für deutsch-französische Verständigung registrieren lassen und hatte damit ihr Interesse an einer Verschwisterung mit einer französischen Stadt bekundet. Schon kurz darauf, am 14. Dezember 1966, erreichte die Stadt ein Schreiben der Vermittlungsstelle, in dem Montmorency als interessierte Partnerstadt vorgestellt wurde. Denn die in der Nähe von Paris gelegene Stadt legte Wert darauf, eine deutsche Kommune in Grenznähe zu finden. Darum schrieb die Internationale Bürgermeister-Union die Städte Kehl, Gaggenau und Langenberg an.
Dr. Trutpert Müller reagierte rasch und sandte den ehemaligen Stadtrat und ehrenamtlichen OB-Stellvertreter Emil Schertel zu einem unverbindlichen ersten Treffen nach Montmorency. Praktischerweise lebte dessen Tochter in Paris und konnte ihm als Dolmetscherin helfen, so dass er ohne Verständigungsschwierigkeiten mit dem damaligen Bürgermeister Jacques Rey die Stadt und deren Sehenswürdigkeiten besichtigen konnte. Der Gegenbesuch des Beigeordneten aus der Partnerstadt ließ nicht lange auf sich warten: Im Februar 1967 verschafften sich Georges Gaunet und seine Gattin ein Bild von Kehl. Nur zwei Monate später wechselten Jacques Rey und Dr. Trutpert Müller ihren ersten Händeruck. Bereits bei diesem ersten Treffen der beiden Bürgermeister in Kehl wurde über eine Partnerschaftsfeier gesprochen, welche die Besiegelung des Bündnisses begleiten sollte.
Außerdem planten die beiden Stadtoberhäupter als eine der ersten konkreten Partnerschaftsaktionen den Austausch einer begrenzten Anzahl an Schülern. Dieser erste Schüleraustausch fand dann tatsächlich statt, noch bevor die Städtepartnerschaft offiziell besiegelt worden war. Nach einer Vorbereitungszeit von nur knapp einem Monat reisten neun Jungen und 14 Mädchen des Lycée Jean-Jacques Rousseau vom 1. bis zum 22. Juli 1967 nach Kehl. Hier wurden die Schülerinnen und Schüler in deutschen Gastfamilien untergebracht, um die deutsche Kultur unmittelbar kennenzulernen. Auch mehrere Vereine knüpften – ebenso wie die Feuerwehr – erste Kontakte nach Montmorency.
Auf die beiden offiziellen Partnerschaftsfeiern folgten regelmäßige Besuche – im einen Jahr reiste eine Delegation aus Montmorency nach Kehl, im nächsten Jahr erfolgte der Gegenbesuch der Kehler in Montmorency. Vereine wie der Reitverein oder der Historische Verein, um nur zwei Beispiele zu nennen, knüpften Verbindungen, die viele Jahre überdauern sollten. Jugendliche von der Musikschule und Jugendgemeinderäte begleiteten die offizielle Delegation aus Kehl mit dem jeweiligen Oberbürgermeister sowie Vertretern des Gemeinderats an der Spitze. Durch den Schüleraustausch des Einstein-Gymnasiums und einige Jahre lang auch der Tulla-Realschule entstanden Freundschaften zwischen Jugendlichen aus beiden Städten – einige wenige haben bis in die heutigen Tage überdauert.
Einer der Höhepunkte der Städtepartnerschaft stellte die Einweihung der Kehler Straße in Montmorency am 30. Mai 1970 dar. Dafür veranstaltete die Stadt Montmorency eigens „Kehler Tage“, zu denen sie Gemeinderäte, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Vereine aus Kehl einlud. Im Gegenzug beschloss der Kehler Gemeinderat, die Freifläche vor der Stadthalle Montmorency-Platz zu taufen. Wegen der für Deutsche komplizierten Schreibweise des Namens der Partnerstadt hatte man in Kehl den Spagat versucht, zum einen einen prominenten Ort in der Innenstadt mit dem Namen Montmorcency zu benennen, zum anderen aber zu vermeiden, dass Kehler den Namen der Partnerstadt in ihre Anschrift aufnehmen müssen. Dafür wurde der Name bei der Umgestaltung des Stadthallenumfeldes im Vorfeld der grenzüberschreitenden Gartenschau ins Pflaster vor der Stadthalle eingelassen.
Ähnlich wie es die Stadt Montmorency für die Namensgebung der Kehler Straße getan hat, wurde auch die Taufe des Montmorency-Platzes in Kehl gebührend gefeiert. Für das viertägige Volksfest wurde ein Teil der Hauptstraße – die damals noch Durchgangsstraße und nicht Fußgängerzone war – für den Verkehr gesperrt und damit zur Einkaufsstraße. Die Geschäfte hatten auch am Sonntag geöffnet, außerdem wurde auf dem Marktplatz ein kleiner Vergnügungspark aufgebaut – der Kehler Messdi war zurück. Mehr als zwei Jahrhunderte war die Veranstaltung im Mai in Kehl Tradition gewesen – durch den Zweiten Weltkrieg war sie allerdings in Vergessenheit geraten. Die Einweihung des Montmorency-Platzes stellte für die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung eine passende Gelegenheit dar, um den Kehler Messdi wiederzubeleben. Und nach der durchweg positiven Resonanz auf das Fest beschloss der Gemeinderat, es künftig wieder regelmäßig zu veranstalten.
Als im Dezember 2002 eine 45-köpfige Delegation aus Montmorency in Kehl zu Gast war, wurde auch über die grenzüberschreitende Gartenschau gesprochen: Die Partnerstadt schlug vor, nicht nur einen Tag auf der Gartenschau mit ihren Vereinen zu gestalten, sondern auch einen Hain mit Montmorency-Kirschbäumen in Kehl zu pflanzen. Die Montmorency-Kirsche zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich besonders gut für Kirschtorten eignet. Nachdem die Bäume tatsächlich Kirschen trugen, brachte der damalige Kehler Oberbürgermeister Dr. Günther Petry tatsächlich in Kehl gebackene Kirschtorten mit Montmorency-Kirschen zum Besuch in der Partnerstadt mit.
In den vergangenen Jahren ist es indes deutlich ruhiger geworden um die Partnerschaft. Während der Schüleraustausch des Einstein-Gymnasiums mit dem Collège Pierre de Ronsard über all die Jahre mit wenigen Unterbrechungen eine feste Größe geblieben ist, haben sich die Kontakte zwischen Vereinen und so manche private Verbindung nach und nach gelockert oder verloren. Viele der Menschen, die in ersten Jahren der Städtepartnerschaft mit Begeisterung zur Versöhnung von Frankreich und Deutschland beigetragen hatten, leben inzwischen nicht mehr.
Dazu kommt, dass seit der Einführung des Binnenmarkts und der Öffnung der Grenzen im vereinten Europa Kehls Beziehungen zu Straßburg immer enger wurden; grenzüberschreitende Zusammenarbeit, grenzüberschreitender Austausch und grenzüberschreitende Mobilität gehören im Ballungsraum Straßburg-Kehl längst zum Alltag. Folgerichtig haben Kehler Schulen und Kindertageseinrichtungen ihre Partnereinrichtungen in Straßburg oder im elsässischen Umland gefunden; auch persönliche deutsch-französische Kontakte – oder solche von Vereinen – lassen sich aufgrund der geographischen Nähe leichter pflegen. Mag der eine oder andere das auf beiden Seiten geschwundene Interesse an der Städtepartnerschaft bedauern, so sahen die beiden aktuellen Oberbürgermeister Michèle Berthy und Toni Vetrano beim letzten Treffen 2015 in Montmorency darin auch ein positives Zeichen: Die deutsch-französische Freundschaft ist heute – auch dank solcher Städtepartnerschaften – eine gewachsene, solide und im positiven Sinne alltagstaugliche Beziehung, die symbolische Akte weniger braucht.
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