Trauerbegleitung
30 Jahre lang stand Adelheid Wagner anderen bei
Hausach (cao). Fast 30 Jahre lang hörte Adelheid Wagner zu, stand Trauernden zur Seite und war auch dann noch für sie da, wenn Angehörige längst mit der Situation überfordert waren. Nachdem sie ein Buch mit dem Titel "Sterbenden Freund sein" gelesen hatte, wollte sie mehr wissen, absolvierte eine Ausbildung bei der "Internationalen Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand" in Bingen und nahm an Fortbildungen teil. So kam sie zum Hospizverein, später zum Hospiz- und Besuchsdienst der Caritas Kinzigtal und arbeitet seither dort ehrenamtlich im Team.
Unangenehme Fragen
Denkanstöße und Abstand waren Adelheid Wagner stets wichtig. "Ich zerfließe nicht in Mitleid", betont sie. Die 70-Jährige konnte auch sehr unangenehme Fragen stellen, um so bewusst Widerstand herauszufordern, "um etwas aufzubrechen". Waren es früher noch Gruppengespräche, sah sie bald die Bedeutung des Einzelgesprächs. Hauptsächlich waren es Frauen, die ihre Hilfe in Anspruch nahmen. "Auf etwa 20 Frauen kommt ein Mann", überschlägt sie. Acht bis zehn Personen, die meisten davon hatten ihren Partner verloren, begleitete sie pro Jahr. Je nach Wunsch gab es nur ein Gespräch, manchmal blieb der Kontakt auch über mehrere Jahre bestehen.
Überfordert
"In einer solchen Situation sind Angehörige oft überfordert und die Außenwelt möchte, dass man wieder so ist wie früher", erklärt die Hausacherin. In den "neutralen" Gesprächen bewertete sie nie, eher gab sie den Trauernden die Chance nachzudenken und eigene Entscheidungen zu treffen, "ohne, dass ich etwas überstülpte".
Trauer zulassen
Auch wenn es Angehörige nicht so meinen, die Trauernden fühlen sich oft im Stich gelassen und haben das Gefühl, sich in ihrer Trauer zurückhalten zu müssen. "Aber es gibt kein Maß, wie lange Trauer dauert", sagt Adelheid Wagner. Wichtig ist, die Trauer zuzulassen, selbst wenn es einem den Boden unter den Füßen wegreißt. Schmerz verändert sich und lässt nach. Adelheid Wagner hörte stets zu, versicherte den Trauernden, dass deren Verhalten "ganz normal" ist.
Floskel oder Trost?
"Das Leben geht weiter! Eine Floskel oder Trost?", wirft sie ein. Wird der Satz aus Unsicherheit oder Unbehagen über die Situation bei einer Begegnung zum Trauernden gesagt, wird er zur Floskel und tut sehr weh. Meistens verschließen sich dann die betroffenen Menschen. "Von einem anderen Standpunkt aus wird er zum Trost", findet die Trauerbegleiterin. "Unser Atem zeigt uns, dass das Leben weitergeht. Ein Atemzug geht und der Nächste kommt, wir können nichts dagegen tun. Er hält uns am Leben. Der Körper ist ständig in Bewegung." Der Trauernde lernt dadurch, sich wieder zu spüren und merkt: "Ich bin ja noch da, bin wichtig." Er vertraut sich und seinen Ressourcen. "Nach dieser Erfahrung kann der Satz 'Das Leben geht weiter' Trost sein", so Adelheid Wagner.
Kürzer treten
Nun will sie kürzer treten. "Nur wenn ich direkt gefragt werde, dann helfe ich gerne", sagt sie. Die 30 Jahre gingen nicht spurlos an ihr vorbei: "Jedes Begleitungsgespräch hat bei mir Spuren hinterlassen wie Füßabdrücke im Neuschnee." Die Sichtweise auf ihr Leben, das eigene Umfeld ist weicher und geduldiger geworden.
Vertrauen
"Die trauernden Menschen öffneten mir ihr Herz mit allem Leid, den Freuden, der Last", sagt die Hausacherin. Dass die Trauernden ihr zutrauten, sie zu begleiten und das übergroße Vertrauen, das ihr geschenkt wurde, erfüllt Adelheid Wagner mit Dankbarkeit: "Ja, ich würde diese Arbeit wieder tun."
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